Wirkstoff aus Haien bekämpft Viren

Das ursprünglich aus Dornhaien gewonnene Squalamin hindert auf ungewöhnliche Weise zahlreiche Virusarten an der Vermehrung
Dornhai (Squalus acanthias)
Dornhai (Squalus acanthias)
© Doug Costa / U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration
Washington (USA) - Trotz ihres primitiven Immunsystems können Haie Virusinfektionen sehr effektiv abwehren. An dieser Schutzwirkung ist eine Verbindung mit ungewöhnlichen Eigenschaften beteiligt, berichten jetzt US-amerikanische Forscher. Das körpereigene Squalamin dringt in Zellen ein und verändert die Zellhülle so, dass sich Viren nicht mehr vermehren können. Wie Tierexperimente und Versuche mit menschlichen Zellkulturen zeigten, blockiert eine Behandlung mit Squalamin Infektionen durch unterschiedliche Virusarten. Die bereits geprüfte gute Verträglichkeit dürfte den baldigen Beginn klinischer Studien ermöglichen, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)".

"Ich glaube, Squalamin gehört zu einer ganzen Familie verwandter Verbindungen, die Haie und einige andere 'primitive' Wirbeltiere des Meeres wie das Meerneunauge vor Viren schützen", sagt Michael Zasloff von der Georgetown University in Washington. 1993 hatte er diese Verbindung bei der Suche nach neuen therapeutischen Wirkstoffen in Dornhaien (Squalus acanthias) entdeckt. Es stellte sich zunächst heraus, dass Squalamin die Entstehung neuer Blutgefäße und damit auch das Wachstum von Tumoren hemmt. Um die Eignung als Krebsmittel zu prüfen, wurden daraufhin Verträglichkeitstests am Menschen durchgeführt und bereits erfolgreich abgeschlossen.

Jetzt ist es Zasloff in Zusammenarbeit mit anderen Forschern gelungen, auch seine ursprüngliche Vermutung zu bestätigen, dass die Substanz gegen Infektionen wirksam ist. Squalamin verhinderte die Vermehrung von Dengue-Viren, Gelbfieber-Viren, den Hepatitisviren B, C und D sowie Cytomegalie-Viren. Die Wirkweise ließ sich auf die Molekülstruktur zurückführen: Das positiv geladene Molekül dringt leicht in die Zellen von Blutgefäßen und Leber ein und verdrängt positiv geladene Proteine, die an der negativ geladenen Innenseite der Zellmembran angelagert sind. Einige dieser Proteine werden von Viren benötigt, um sich in der Zelle zu vermehren. "Squalamin stoppt die Virusvermehrung schnell und eliminiert die Erreger innerhalb von Stunden aus dem Körper", sagt Zasloff. Da die Verbindung nicht Strukturen von Viren angreift, sondern die Wirtszelle verändert, sei es sehr unwahrscheinlich, dass Viren resistent werden könnten.

Squalamin lässt sich inzwischen chemisch herstellen, so dass man zur Gewinnung nicht mehr auf die Haie angewiesen ist. Noch stehen Tierversuche zur optimalen Dosierung des Wirkstoffs aus. Aber die bisherigen Ergebnisse seien so vielversprechend, dass erste Tests am Menschen bald beginnen können, so Zasloff. Im Gegensatz zur großen Zahl an Antibiotika, die gegen Bakterien wirken, stehen nur wenige Mittel gegen Viren zur Verfügung. "In seinem Wirkmechanismus und seiner chemischen Struktur ähnelt Squalamin keiner anderen Substanz, die derzeit zur Behandlung von Virusinfektionen untersucht wird", sagt der Forscher. Er hofft, in den Haien weitere Verbindungen zu finden, die gegen andere Virustypen wirksam sind.

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Quelle: "Squalamine as a broad-spectrum systemic antiviral agent with therapeutic potential", Michael Zasloff et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1108558108


 

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