Wie die Vormenschen von den Bäumen stiegen – ganz allmählich
„Bisher glaubte man, dass das Herabsteigen von den Bäumen ein ganz entscheidender Schritt in der Evolution des Menschen war. Aber das Verhalten dieser Schimpansen verweist auf einen eher allmählichen Übergang vom Baum- zum Bodenlager“, sagt Kathelijne Koops von der University of Cambridge. Ihr Forscherteam beobachtete Gruppen wildlebender Schimpansen in einer Bergregion im westafrikanischen Guinea. In der Regel bauen Schimpansen ihre Nester als Schlafstätte für die Nacht oder als Rastlager am Tag in den Bäumen. Doch bis zu 20 Prozent dieser Schimpansen, die noch nicht an Menschen gewöhnt waren, bereiteten sich ihre Nester am Boden, indem sie Äste und Zweige zusammenlegten. Dabei bestand in ihrem Lebensraum kein Mangel an geeigneten Schlafbäumen.
Häufig waren Baum- und Bodennester nur wenig voneinander entfernt. Das gab Anlass zu einer Hypothese, nach der sich die männlichen Tiere Bodennester bauen und von dort aus ihre weiblichen Partner bewachen, die ihr Lager in den Bäumen errichten. DNA-Analysen von Haarproben zeigten zwar, dass der Bau eines Lagers auf dem Erdboden fast ausschließlich Männersache war. Aber auch die jeweils benachbarten Baumnester wurden von denselben oder eng verwandten Männchen belegt, was die Hypothese widerlegte.
Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass auch die frühen Vorfahren des Menschen schon Bodenlager gebaut haben könnten, bevor sie als aufrecht gehender Homo erectus die Wälder verließen. Eine plausible Erklärung für den Etagenwechsel der Lagerstätte bietet demnach weder ein Mangel an Bäumen in der Savanne noch der erst später verfügbare Schutz des Lagerfeuers vor Raubtieren am Boden. Warum unsere waldbewohnenden Vorfahren das Nest am Boden zeitweise dem sicheren Platz in den Bäumen vorzogen – so wie es die westafrikanischen Schimpansen heute noch tun – bleibt vorerst ein Rätsel.