Wie die Evolution das Kauen drehte
"Die Zunge wird beim Kauen unterschiedlich eingesetzt", erklärt Nicolai Konow von der Brown University, "und das stellt die Frage, was eigentlich die Muskeln an Zunge und Kiefer tun." Konow hatte gemeinsam mit Kollegen von vier anderen US-Universitäten frühere Forschungen am Fisch aufgegriffen und zusätzlich Säugetiere untersucht. In zwei anderen Studien hatten sie gezeigt, dass Fischarten wie Hecht und Schlammfisch, aber auch der Lachs mit seinen winzigen Knochenzähnen auf der Zunge, den Kauvorgang mit der Zunge oben beginnen, sie dann nach unten zurück und wieder nach vorne oben ziehen. So befördern sie die Nahrung wie auf dem Fließband weiter nach innen - von der Seite links gesehen bewegt sich die Zunge elliptisch im Uhrzeigersinn. Andere Forscher hatten dies für urtümliche Fischarten wie Knochenhecht, Flösselhecht und Lungenfisch bestätigt. Letzterer gilt als evolutionäres Bindeglied zwischen Kiemenfischen und den ersten Reptilien.
Säugetiere kauen anders
Jetzt beobachtete Konows Team die Kaubewegungen dreier Säugetierarten: Alpakas, Ziegen und Schweine. Die Wissenschaftler setzten feine Elektroden in die Kiefer- und Zungenmuskeln der Tiere, um deren exakte Bewegungen zu verfolgen. So zeigte sich, dass hier der Kauzyklus hinten unten beginnt, bevor die Zunge nach vorne oben schnellt und während des Kauens wieder zurückfällt. Von der Seite links gesehen kreist die Zunge gegen den Uhrzeigersinn. Die Säuger halten mit der Zunge offenbar das Futter am Platz, damit die Mahlzähne bestens angreifen können.
Fische hingegen transportieren mit der Zunge nicht nur die Nahrung schnell in und durch den Mund hindurch zu einem zweiten Kiefer, der das Kauen übernimmt - sie schaufeln so außerdem sauerstoffreiches Wasser in Richtung Kiemen, erklärt Konow.
In einer weiteren Untersuchung wollen die Forscher nun genauer feststellen, wo, wann und mit welchen Spezies sich das Kauverhalten in der Evolution vermutlich geändert hat. Der belgische Biologe Anthony Herrel, ebenfalls Ko-Autor, hatte bereits früher gezeigt, dass Eidechsen ihre Zunge beim Kauen wie Säugetiere bewegen. Deshalb vermutet das Team, dass die Umstellung in der Entwicklung der Amphibien geschah. Konow erläutert: "Sie sind für die Vermehrung noch immer aufs Wasser angewiesen. Aber manche Arten leben ansonsten komplett an Land. Und das ist der nächste Schritt auf der Leiter der Evolution."