Wie Krebszellen eine Chemotherapie überstehen

Krebsmedikamente können Stressreaktionen auslösen, die es Krebszellen ermöglichen, in bestimmten Nischen zu überleben
Cambridge (USA) - Krebsmittel können eine unerwartete Nebenwirkung haben: Sie bewirken die Freisetzung chemischer Alarmsignale, die einigen Krebszellen das Überleben ermöglichen, berichten amerikanische Forscher im Fachblatt "Cell". Ein solcher Mechanismus trägt dazu bei, dass es nach erfolgreicher Chemotherapie später oft zu einem Rückfall kommt. In Versuchen mit Mäusen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass ein Krebsmittel Stressreaktionen verursacht, wobei schützende Botenstoffe produziert werden. Hemmstoffe, die diese Botenstoffe blockieren, müssten den Erfolg einer Krebstherapie verbessern.

"Eine erfolgreiche Krebstherapie muss sowohl Tumorzellen töten als auch Überlebenssignale blockieren", schließt Michael Hemann vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge aus seinen Forschungsergebnissen. Zusammen mit Luke Gilbert untersuchte er Mäuse mit Burkitt-Lymphom, einer Krebserkrankung des Lymphsystems. Die Behandlung mit dem Zytostatikum Doxorubicin schädigt die DNA der Krebszellen und tötet sie ab. Das Medikament löste aber auch Stressreaktionen von gesunden Blutgefäßzellen im Thymus aus. Dabei wurden große Mengen an Botenstoffen freigesetzt, darunter das Interleukin-6. Dieses Zytokin aktiviert Schutzreaktionen in den benachbarten Krebszellen, die deren Überleben fördern. Dadurch blieben nach der Chemotherapie Krebszellen im Thymus zurück, die eine mögliche Quelle eines späteren erneuten Krebswachstums sein könnten.

Die Forscher glauben, dass solche Schutzreaktionen auch bei Therapien anderer Krebsarten ablaufen und das Überleben von Krebszellen auch im Knochenmark und anderen Nischen ermöglichen. Um das zu verhindern, könnten bereits verfügbare Medikamente eingesetzt werden, die das Interleukin-6 inaktivieren. Daher wollen die Forscher jetzt die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie überprüfen, indem sie zusammen mit dem Krebsmittel einen solchen Hemmstoff einsetzen. Das müsste die Krebszellen effektiver zerstören und die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Krebswachstums nach der Therapie verringern.

Auch menschliche Leberkrebszellen reagierten bei Behandlung mit Doxorubicin, indem sie Interleukin-6 produzierten. Die Blockade des Botenstoffs verstärkte die Abtötungsrate in der Zellkultur. Bei unterschiedlichen Krebsarten hat man einen Anstieg des Interleukin-6-Blutspiegels beobachtet, was mit einer verringerten Überlebensrate gekoppelt war. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Ergebnisse der Tierexperimente auch für die Krebstherapie des Menschen von Bedeutung sein könnten. Für einen Rückfall der Krebserkrankung nach einer Therapie spielen auch andere Mechanismen eine Rolle. So können sich Krebszellen genetisch verändern und gegen Medikamente resistent werden. Außerdem weiß man, dass so genannte Krebsstammzellen eine Chemotherapie überstehen und sich nach einer oft jahrelangen Ruheperiode wieder vermehren können.

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Quelle: "DNA Damage-Mediated Induction of a Chemoresistant Niche", Luke A. Gilbert and Michael T. Hemann; Cell, Vol. 143, p. 355, DOI 10.1016/j.cell.2010.09.043


 

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