Weit mehr als nur Tarnkappen

Das Potenzial so genannter Metamaterialien ist enorm - es reicht von effizienteren Solarzellen über schnelle Lichtchips bis hin zu Lichtmikroskopen mit einer zehnfachen Auflösung
Überblick über mögliche Anwendungen von Metamaterialien
Überblick über mögliche Anwendungen von Metamaterialien
© Science
West Lafayette (USA) - In den letzten Jahren konstruierten Physiker rund um den Globus immer neue Metamaterialien. Diese filigran strukturierten Werkstoffen haben negative Brechungsindizes und können elektromagnetische Wellen so umlenken, wie es keine in der Natur vorkommende Substanz vermag. Tarnkappen, die Objekte für gewünschte Wellenlängenbereich unsichtbar machen, gehören zu den faszinierendsten der möglichen Anwendungen. Doch Vladimir M. Shalaev von der Purdue University in West Lafayette sieht in den Metamaterialien ein weitaus größeres Anwendungspotenzial. Das reicht von Hyperlinsen bis hin zu Lichtmikroskopen mit Nanometer-Auflösung, schreibt er in einem Perspektiv-Artikel in der Zeitschrift "Science".

"Diese Transformations-Optik ist ein neuer Weg, um Licht von der Makro- bis zur Nanoskala zu kontrollieren und zu manipulieren", sagt Shalaev. Metamaterialien lassen im Prinzip alle optischen Anwendungen in einem völlig neuen Licht erscheinen. Die Liste der Möglichkeiten wächst stetig. Neben den Aufsehen erregenden Tarnkappen-Versuchen sieht Shalaev eine wirtschaftliche Relevanz der Metamaterialien in anderen Bereichen. Vor allem flache Hyperlinsen hat der Physiker im Blick. "Mit solchen Linsen lassen sich zehnmal kleinere Objekte betrachten, als es heute möglich ist." Laut Shalaev könnte man dann mit Lichtmikroskopen bis auf in den Nanobereich viel kleiner als die verwendeten Wellenlänge schauen. So ließen sich DNA-Moleküle oder Viren betrachten, die heute für eine Betrachtung im sichtbaren Wellenlängenbereich zu klein sind.

Theoretisch könnten Hyperlinsen auch Verluste in der Lichtleitung durch Werkstoffe wie Glasfaser kompensieren. Durch elegante Lichtbündelung und Fokussierungen hält es Shalaev für möglich, beispielsweise die Stromausbeute von Solarzellen deutlich zu erhöhen. Weitere Chancen für die neuen optischen Materialien sieht er auch im Bereich der Photonik, in dem Daten nicht mehr mit Elektronen, sondern viel schneller mit Lichtteilchen verarbeitet werden. "Wir können Form und Größe von Struktureinheiten maßschneidern und über ihre Zusammensetzung für viele neue Funktionalitäten anpassen", so der Physiker.

Die rasante Entwicklung in den Laboren weltweit gibt ihm recht. Ließ erst 2006 David Smith von der Duke University in Durham einen Körper mit einem Mantel aus Metamaterialien für Mikrowellen unsichtbar werden, folgten schon bald darauf Strukturen, die auch im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums einen negativen Brechnungsindex erreichten. Und funktionierten diese neuen optischen Materialien erst nur in zwei Raumdimensionen, berichteten im Mai dieses Jahres Forscher der Universität Karlsruhe schon über ein Verfahren zur Herstellung von dreidimensional strukturierten Metamaterialien für den Infrarot-Bereich.

"Die grundlegende Idee ist es, Materialien aus künstlichen Atomen, Meta-Atomen, zu designen, die kleiner sind als die Wellenlängen des Lichts", sagt Shalaev. Solche Meta-Atome bestehen prinzipiell aus hochsymmetrisch angeordneten metallischen Inseln, die in regelmäßiger Struktur auf dielektrische Substrate gesetzt werden. Neben einem negativen Brechungsindex zeigen diese Metamaterialien ebenfalls negative Werte für die elektrische Permittivität ε und die magnetischen Permeabilität µ. So können Lichtwellen genauso um ein Objekt herumgelenkt werden, wie Wasser einen Stein in einem rauschenden umfließt. Dieser Effekt ist beispielsweise die Grundlage für das bereits beobachtete Tarnkappen-Phänomen. Auf all diese Ideen könnten bei dem derzeitigen Forschungstempo bald konkrete Anwendungen folgen. "Die vielen aufregenden Anwendungen reichen weit über das hinaus, was wir uns bis vor kurzem vorstellen konnten", schließt Shalaev seinen persönlichen Ausblick ab.

Science, Purdue University
Quelle: "Transforming Light", V.M. Shalaev; Science, Vol. 322, S. 384


 

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