Warum Patienten ihren Arzt belügen

Wahrheitsgemäße Antworten auf manche Fragen des behandelnden Arztes wären vielen Patienten peinlich, doch falsche Auskünfte könnten die Qualität einer Behandlung beeinträchtigen
Medizinisch relevante Selbstauskünfte von Patienten sind nicht immer glaubwürdig.
Medizinisch relevante Selbstauskünfte von Patienten sind nicht immer glaubwürdig.
© Bradley Knickerbocker
Salt Lake City (USA) - Vielen Patienten fällt es schwer, auf die Fragen ihres Arztes immer wahrheitsgemäß zu antworten. Das bestätigen zwei amerikanische Online-Studien, die auch einige Ursachen dieses Verhaltens aufdecken. Die Mehrzahl der Befragten gab zu, im Arztgespräch mindestens einmal falsche Angaben gemacht zu haben – nicht nur über ungesunde Lebensweise und Einnahme von Medikamenten. Die meisten Teilnehmer entschuldigten das damit, dass sie nicht verurteilt und ermahnt werden wollten oder dass ihnen das Eingeständnis der Wahrheit einfach peinlich gewesen wäre, berichten die Forscher im Online-Journal „JAMA Network Open“. Durch ein stärkeres Vertrauen des Patienten zum Arzt und eine verbesserte Kommunikation könnten falsche Diagnosen und Therapien aufgrund zurückgehaltener Informationen vermieden werden.

„Die meisten Menschen wollen, dass ihr Arzt eine gute Meinung von ihnen hat“, sagt Angela Fagerlin von der University of Utah in Salt Lake City. Das sei eine der Erklärungen dafür, warum viele Patienten dem Arzt gegenüber ihr Verhalten beschönigen. „Ich war überrascht, dass eine so große Zahl der Teilnehmer relativ harmlose Informationen verschwiegen hat und dass diese Personen das auch zugegeben haben“, sagt Erstautorin Andrea Gurmankin Levy. Man müsse sogar bedenken, dass in der Online-Befragung wohl nicht alle ganz ehrlich gewesen sind, was die tatsächliche Häufigkeit falscher Angaben noch steigern würde.

Die Forscher befragten zwei Gruppen von Patienten. Die eine bestand aus 2011 Personen im Alter von durchschnittlich 36 Jahren, die andere aus 2500 Personen, die im Schnitt 62 Jahre alt waren. Zunächst sollten die Teilnehmer aus sieben vorgegebenen Situationen diejenigen auswählen, in denen sie ihrem Arzt schon einmal falsche Informationen mitgeteilt hatten. Von der ersten Gruppe gaben 81 Prozent zu, in mindestens einem solchen Fall die Unwahrheit gesagt zu haben. Bei der Gruppe der Älteren waren es 61 Prozent. Am häufigsten kam es vor, dass trotz gegenteiliger Meinung einer Empfehlung des Arztes zugestimmt wurde. Außerdem hatten viele behauptet, eine ärztliche Anweisung verstanden zu haben, obwohl das nicht der Fall war. Auch bei Angaben zur Ernährung, zu sportlicher Aktivität und der ordnungsgemäßen Einnahme eines Medikaments hatte etwa jede fünfte Testperson schon mal gelogen.

Im zweiten Teil der Befragung sollten die Teilnehmer angeben, warum sie die Unwahrheit gesagt hatten. Die in beiden Gruppen am häufigsten genannten Gründe waren zum einen, dass sie für ihr Verhalten nicht verurteilt und eines Besseren belehrt werden wollten. Zum anderen wollten sie sich nicht vorhalten lassen, wie schlecht dieses Verhalten für sie sei. Für mehr als die Hälfte wäre es einfach zu peinlich gewesen, die Wahrheit zu sagen. Jeder Dritte gab vor, es sei nicht so wichtig gewesen oder wollte verhindern, dass seine Aussage in der Krankenakte erscheint. Weibliche und jüngere Teilnehmer und solche, die ihren Gesundheitszustand als schlecht einstuften, gaben im Gespräch mit dem Arzt häufiger Falschinformationen als die anderen.

Wer dem Arzt medizinisch relevante Informationen vorenthält, erhöht das Risiko, nicht optimal diagnostiziert und behandelt zu werden. Die Schuld an der starken Verbreitung dieses Verhaltens liege aber nicht allein auf Seiten des Patienten, sagt Fagerlin. Auch der Arzt könne dazu beitragen, ein besseres Vertrauensverhältnis aufzubauen, um es dem Patienten leichter zu machen, unangenehme Wahrheiten mitzuteilen.

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