Warum Krebsmittel unwirksam werden können
„Wir haben uns die Zellen angesehen, bevor und nachdem sie resistent geworden sind, und haben uns gefragt: Was hat sich an den Zellen verändert?“, sagt David Cheresh von der University of California in San Diego. Sein Forscherteam behandelte Mäuse, denen menschliche Tumoren eingepflanzt worden waren, mit dem Krebsmittel Erlotinib. Dieser Tyrokinase-Hemmer (Handelsname: Tarceva) blockiert biochemische Reaktionen, die das Wachstum der Krebszellen anregen. Das Tumorwachstum wurde durch die Therapie zunächst gestoppt, setzte dann aber erneut ein: Die Krebszellen waren resistent geworden. Sie produzierten nun das Oberflächenprotein Integrin-beta3, das zu Beginn der Therapie noch nicht vorhanden war. Die resistenten Zellen hatten auch die Fähigkeit erlangt, sich wie Stammzellen unbegrenzt zu vermehren und neue Tumoren zu bilden. Die normale Funktion von Integrin-beta3 besteht nach Angabe der Autoren wahrscheinlich darin, bei der Gewebeentwicklung des Embryos und der Regeneration von verletztem Gewebe mitzuwirken.
Untersuchungen mit Zellen aus menschlichen Brust-, Bauchspeicheldrüsen- und Lungentumoren bestätigten den engen Zusammenhang zwischen Resistenz, Metastasenbildung und Integrin-beta3. Experimente mit Zellkulturen zeigten, dass die Produktion des Integrins einen speziellen Signalweg in Gang setzt, der die veränderten Eigenschaften hervorruft. Die Behandlung mit dem Krebsmittel Bortezomib (Handelsname: Velcade) blockierte diese Signalübertragung und führte dazu, dass die vorher resistenten Zellen wieder durch Erlotinib abgetötet werden konnten. Für das nächste Jahr planen die Forscher eine klinische Studie, in der Lungenkrebspatienten, deren Tumoren nicht mehr auf Erlotinib reagieren, zusätzlich mit Bortezomib behandelt werden sollen. Möglicherweise könnten bereits frühzeitig eingesetzte Kombinationstherapien bewirken, dass sich resistente Tumoren gar nicht erst entwickeln.