Vorschulkinder: Mattscheibe hemmt Entwicklung des Einfühlungsvermögens

Zu schnell, zu flach, zu eindimensional – Läuft im Umfeld von Kleinkindern häufig der Fernseher, lernen sie schlechter, sich in andere hineinzuversetzen
Hemmt die Entwicklung sozialer Kompetenzen: Ein Kind mit seinem Teddybär im Arm schaut Fernsehen.
Hemmt die Entwicklung sozialer Kompetenzen: Ein Kind mit seinem Teddybär im Arm schaut Fernsehen.
© Shutterstock, Bild95654410
Columbus (USA) - Ob direkt konsumiert oder nur als Rauschen im Hintergrund: Fernsehen gehört bereits zum Alltag vieler Vorschulkinder – und beeinflusst deren geistige Entwicklung maßgeblich. Zahlreiche Studien haben mittlerweile auf negative Auswirkungen wie aggressives Verhalten, Schlafstörungen und schlechtere geistige Leistungen hingewiesen. Doch erstmals hat sich nun eine Gruppe amerikanischer Forscher auch mit der Frage befasst, inwiefern TV-Konsum die Fähigkeit der Kleinen beeinflusst, sich in Bewusstseinsvorgänge anderer Personen hineinzudenken und zu -fühlen. Kleine Kinder entwickeln diese Fähigkeiten besonders rasant im Alter von drei bis fünf Jahren. Sind sie viel dem TV ausgesetzt, bilden sie diese Auffassungsgabe jedoch schlechter aus, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Journal of Communication“. Demnach werden Kleinkinder über das Fernsehen offenbar in ihrem sozialen Verhalten negativ beeinflusst.

„Kinder, die einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer haben oder bei denen das Fernsehen regelmäßig im Hintergrund läuft, können sich offenbar schlechter in mentale Zustände anderer hineinversetzen – also in Gefühle, Bedürfnisse, Idee und Absichten“, sagt Amy Nathanson von der Ohio State University. „Und je früher Kinder in Kontakt mit Fernsehen kommen, desto schlechter können sie auf die subjektive Verfassung eines anderen Bezug nehmen.“ Die Psychologin hatte gemeinsam mit ihren Kollegen den Fernsehkonsum von 107 Vorschulkindern aus mehreren Schulen und aus Elternhäusern mit unterschiedlichem Bildungs- und Einkommensniveau untersucht.

Sie befragten dazu deren Eltern, wie viele Stunden sowohl sie selbst als auch ihre Zöglinge täglich fernsehen und welche Programme sie schauen. Zudem testeten sie bei den Drei- bis Fünfjährigen mit Hilfe verschiedener Aufgaben, wie gut diese erkennen, dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse und Vorstellungen haben und dass die Verhaltensweisen eines Menschen daraus resultieren, welchen Standpunkt er gegenüber etwas hat. Außerdem prüften die Forscher, ob diese geistigen Fähigkeiten besser ausgebildet werden, wenn Eltern mit ihren Kindern über die im Fernsehen gezeigten Figuren diskutieren und deren Handeln kommentieren.

Tatsächlich zeigte sich, dass die sozialen und empathischen Fähigkeiten der Kleinen nur dann vom Fernsehen profitierten, wenn ihre Eltern mit ihnen über die Sendungen sprachen. „Im Gegensatz zu Büchern, die oft eine reiche Quelle für die Beschreibung mentaler Zustände sind, können TV-Figuren den kleinen Kindern kaum ein Gefühl für geistige Zustände liefern“, sagt Nathanson. Denn Kindersendungen seien vorrangig auf optisch hervorstechende Elemente und beeindruckende Actionszenen fokussiert. Eine Vermittlung durch die Eltern spielt somit offenbar eine wichtige Rolle, damit Vorschulkinder lernen, fremde Perspektiven einzunehmen.

Den Wissenschaftlern zufolge kommen mehrere Erklärungen dafür in Frage, warum Kinder, in deren Umfeld die Mattscheibe oft flimmert, schlechter an sozialen Beziehungen teilhaben können: „Einerseits verhindert der Fernseher anderen lehrreicheren sozialen Umgang mit anderen Menschen. Außerdem behindert Fernsehen möglicherweise die Entwicklung der Empathie, weil häufig zu eindimensionale Charaktere und zu flache Situationen dargestellt werden“, vermutet Amy Nathanson. Zudem lenkten Hintergrundgeräusche vom Fernseher die Kinder womöglich von den Interaktionen mit der Familie ab. All dies trage dazu bei, dass sie weniger einfühlsam und kooperativ mit Altersgenossen und Verwandten umgehen. Sie liefen somit eher Gefahr, ihre Wünsche und Ziele mit Aggressivität einzufordern, warnt Amy Nathanson.

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