Virtueller Kosmos in unerreichter Detailtreue

Neue Simulationen können die Entwicklung des Universums von frühen Strukturen bis heute erstaunlich genau nachbilden
Großräumige Darstellung des simulierten Universums, zentriert auf den massivsten Galaxienhaufen. Sie zeigt, wie Verdichtungen der Dunklen Materie (links) zu riesigen Gasstrukturen führen (rechts).
Großräumige Darstellung des simulierten Universums, zentriert auf den massivsten Galaxienhaufen. Sie zeigt, wie Verdichtungen der Dunklen Materie (links) zu riesigen Gasstrukturen führen (rechts).
© Illustris Collaboration
Cambridge (USA)/Heidelberg - Schon ein Blick in den Nachthimmel gibt einen Eindruck von den unendlichen Weiten des Alls. Moderne Teleskope liefern immer tiefere Einblicke in ferne Galaxien und in die Frühzeit des Universums. Vieles bleibt jedoch weiterhin unverstanden. So können sich Wissenschaftler immer noch keinen Reim auf die sogenannte Dunkle Materie und die Dunkle Energie machen, die im Universum offensichtlich sehr viel stärker vertreten sind als unsere gewöhnliche Materie. Eine wichtige Möglichkeit, den Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen, besteht deshalb darin, die Entwicklung von Sternen und Galaxien im Computer zu simulieren und mit realen Daten zu vergleichen, die von Teleskopen stammen. Wenn die Simulationsdaten gute Übereinstimmung mit echten Galaxienstrukturen zeigen, ist das für die Forscher ein gutes Indiz dafür, dass man die wesentlichen Punkte verstanden hat. Ein amerikanisch-deutsches Astronomenteam hat nun im Fachblatt „Nature“ eine bislang unerreicht detailgetreue Simulation des Universums präsentiert.

Bisher hatten Computermodelle stets mit der riesigen Komplexität kosmischer Strukturen zu kämpfen, so Erstautor Mark Vogelsberger vom Massachusetts Institute of Technology: „Keine einzelne Simulation unseres Universums war in der Lage, großräumige Strukturen – wie die Verteilung von Wasserstoff oder die Populationen von riesigen Galaxienhaufen – genauso vorherzusagen wie Eigenschaften auf kleinerer Ebene, wie etwa die Form und die Sternenarten einzelner Galaxien.“ Unsere Naturgesetze gelten nur für normale Materie, aus der wir ebenso bestehen wie alles, was wir sonst beobachten können. Die sogenannte Dunkle Materie jedoch wirkt durch ihre Schwerkraft zwar auf die Entwicklung von Galaxien, lässt sich im Labor aber weder erzeugen noch sonstwie nachweisen.

Ein solches Vorhaben besitzt eine gewaltige Komplexität. Nicht nur mussten die Forscher die Effekte der Dunklen Materie und der Dunklen Energie berücksichtigen. Beide sind zwar unsichtbar und nur indirekt nachzuweisen. Die Forscher können sie in ihren Formeln aber berücksichtigen. Die Dunkle Energie lässt das All immer schneller expandieren. Die Dunkle Materie hingegen klumpt aufgrund der Schwerkraft ebenso zusammen wie normale Materie und besitzt anziehenden Einfluss auf diese. Dadurch bildeten sich schon in der Frühzeit des Universums riesige Strukturen im All, die schließlich zu den heute bekannten Galaxien und Galaxienhaufen mit hunderten Milliarden Sternen führten.

Ein größeres Problem als Dunkle Materie und Energie stellte für die Wissenschaftler aber die ganz gewöhnliche Materie dar. Das liegt daran, dass diese während der Evolution des Universums enorm komplexe Prozesse durchmacht. Die frühesten Gaswolken nach dem Urknall bestanden nur aus sehr leichten Elementen wie Wasserstoff und Helium. Wenn sich solche Gaswolken zu Sternen verdichten, beginnt in deren Innern das Kernbrennen, bei dem die leichten Elemente zu schwereren fusionieren. Bei Supernova-Explosionen werden diese Elemente in der galaktischen Umgebung verbreitet und vermischen sich mit dem übrigen Material. Alle schweren Elemente, aus denen unsere Erde und wir selbst bestehen, sind Überreste solcher Sternexplosionen vor Milliarden von Jahren. Besonders schwere Sterne enden als Schwarze Löcher oder Neutronensterne. Auch diese senden starke Strahlung aus und können die Dynamik ganzer Galaxien mitbestimmen.

Um ein realistisches Bild des Kosmos zu gewinnen, mussten die Wissenschaftler all diese Prozesse in ihrer Wechselwirkung einfangen und Computermodelle für sie entwickeln. Sie starteten ihre Simulation zwölf Millionen Jahre nach dem Urknall; das ist nur rund ein Tausendstel seines bisherigen Alters. Dann ließen sie das simulierte Universum gemäß den Rechenregeln 13 Milliarden Jahre lang weiterlaufen, was dem heutigen Alter entspricht. Um die großräumigen Strukturen nachbilden zu können, wählten die Forscher einen Ausschnitt von mehr als 320 Millionen Lichtjahren. Zum Vergleich: Unsere Galaxie, die Milchstraße, misst gerade einmal gut 100.000 Lichtjahre im Durchmesser.

Insgesamt erstreckte sich die Simulation über 41.416 Galaxien. Die Forscher konnten mit ihrem Modelluniversum sowohl die Formen unterschiedlicher Galaxien nachbilden, wie elliptische, irreguläre oder kugelförmige Sternhaufen. Auch die Verteilung der Elemente passt gut mit den echten Werten überein. Diese Fortschritte verdanken sich laut den Wissenschaftlern nicht nur den immer schnelleren Supercomputern, sondern vor allem immer detaillierteren Modellen und besseren Algorithmen. Mit kleineren Galaxien hat die Simulation aber noch Probleme. Zwerggalaxien, wie sie etwa unsere Milchstraße umkreisen, tauchen dort nicht auf. Mit zunehmender Rechenpower ist aber auch das wohl nur eine Frage der Zeit.

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