Präziser als je zuvor: Neues Maßband für das Universum

Neue Methode ermöglicht es, kosmische Distanzen auf bis zu ein Prozent Genauigkeit zu bestimmen
An manchen Orten im Universum treten Galaxien gehäuft auf, andere Stellen sind vergleichsweise leer. Die Astronomen konnten den typischen Abstand zwischen Galaxien nun mit bislang unerreichter Präzision bestimmen.
An manchen Orten im Universum treten Galaxien gehäuft auf, andere Stellen sind vergleichsweise leer. Die Astronomen konnten den typischen Abstand zwischen Galaxien nun mit bislang unerreichter Präzision bestimmen.
© ESA, Hubble, NASA, H. Ebeling
Cambridge (USA) - Schon ein kurzer Blick in den Sternenhimmel zeigt, wie unglaublich groß das Weltall im Vergleich zu irdischen Maßstäben ist. Es ist aber auch für erfahrene Astronomen sehr schwierig herauszufinden, wie groß kosmische Distanzen wirklich sind. Die Abstände zu nahen Sternsystemen innerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, sind noch vergleichsweise einfach zu bestimmen. Doch je tiefer ins All die Astronomen schauen, desto komplizierter und ungenauer werden jedoch ihre Entfernungsangaben. Wissenschaftler bedienen sich deshalb mehrerer unterschiedlicher Methoden, die sie miteinander abgleichen und aneinander kalibrieren. Ein großes internationales Team von Astronomen hat nun das bislang präziseste Maßband für Entfernungsbestimmungen in den Tiefen des Alls angegeben. Wie die Wissenschaftler auf dem halbjährlichen Meeting der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft berichten, erreicht ihre Methode eine Präzision von einem Prozent.

„Es gibt nicht viele Dinge im täglichen Leben, die wir mit einer Genauigkeit von einem Prozent kennen“, sagt David Schlegel vom Lawrence Berkeley National Laboratory, der an der Untersuchung führend beteiligt war. „Ich kenne nun die Größe des Universums besser als die meines Hauses.“ Mit einer solchen Genauigkeit war bisher nur die Distanz zu einigen hundert nahen Sterne bekannt, die höchstens ein paar tausend Lichtjahre entfernt sind. Nun können Astronomen millionenfach größere Abstände vergleichbar exakt angeben. Die neue Methode beruht auf dem Vergleich der Häufigkeit von Galaxien in verschiedenen Raumbereichen. Damit können die Forscher zwar nicht jeden Punkt oder jede Galaxie auf diesen großen kosmischen Maßstäben präzise kartieren. Dafür eignet sich die Methode jedoch hervorragend, um großflächige Strukturen im Kosmos abzumessen.

„Entfernungen zu bestimmen ist eine entscheidende Herausforderung in der Astronomie“, sagt Daniel Eisenstein vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Er ist der Direktor des Beobachtungsprogramms Sloan Digital Sky Survey III, das ein Viertel des gesamten Sternenhimmels durchmustert und die nötigen Daten geliefert hat. Wissenschaftler aus aller Welt sind an diesem Programm beteiligt. Mit einem speziellen Teleskop kartierten die Astronomen 1,2 Millionen Galaxien. Ihr Instrument ist in der Lage, von bis zu 1000 Galaxien gleichzeitig detaillierte Aufnahmen zu machen.

Die besondere Methode, die sich nun als so präzise herausgestellt hat, beruht auf einem speziellen kosmologischen Effekt, den sogenannten „baryonischen akustischen Oszillationen“. In der Frühzeit des Universums, als dieses noch sehr viel kleiner war, gab es noch keine Sterne oder Galaxien, sondern nur ein extrem heißes und dichtes Plasma. In diesem Plasma bildeten sich Wellen – analog zu Wasser- oder Schallwellen. Als das Universum sich ausdehnte, kühlte sich dabei das Plasma ab und wurde zu normalem Gas, aus dem später Sterne und Planeten entstanden. Bei der Expansion des Alls blieben aber die Plasmaoszillationen in der großräumigen Struktur der Galaxien erhalten. Bildlich könnte man sich dies so vorstellen, als wenn eine Wasserwelle in ihrer Bewegung zu Eis gefriert – und dann mit der Expansion des Kosmos weiterwächst.

Diese Dichteschwankungen im frühen Universum lassen sich mit mathematischen Modellen berechnen. Heute entsprechen sie einer Häufung von Galaxien an bestimmten Orten im Universum, während anderswo Galaxien sehr viel seltener auftreten. Durch den Vergleich der Häufigkeit von Galaxien an verschiedenen Orten im Universum mit den theoretischen Berechnungen konnten die Astronomen die nun erreichte Präzision erzielen. „Noch vor zwanzig Jahren wichen die Abstandsschätzungen auf solchen kosmischen Distanzen um bis zu fünfzig Prozent voneinander ab. Vor fünf Jahren konnte man die Ungenauigkeit auf fünf Prozent reduzieren, vor einem Jahr auf zwei Prozent“, summiert Schlegel den erzielten Fortschritt. Die neuen Messungen bestätigen frühere, weniger präzise Kartierungen des Alls und passen zu den gängigen kosmologischen Theorien.

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