Ursachen für Einsamkeit ändern sich im Lauf des Lebens

„Die meisten derzeit gegen Einsamkeit eingesetzten Behandlungsmethoden scheinen nur begrenzt wirksam zu sein“, sagt Thanée Franssen von der Universität Maastricht. Ein möglicher Grund dafür sei, dass Erwachsene unabhängig von ihrem Alter auf die gleiche Weise behandelt werden. Die neue Studie sollte zeigen, ob sich bei Menschen, die unter Einsamkeit leiden, vom Alter abhängige unterschiedliche Zusammenhänge zwischen Erkrankung und einzelnen Einflussfaktoren nachweisen lassen. Franssen und ihre Kollegen werteten Daten von mehr als 26.000 Männern und Frauen aus, die der öffentliche Gesundheitsdienst der Niederlande erhoben hatte. Die Teilnehmer wurden eingeteilt in Junge (19 bis 34 Jahre alt), Mittelalte (35 bis 49 Jahre alt) und Ältere (50 bis 65 Jahre alt).
Knapp 40 Prozent der jungen, 43 der mittelalten und 48 Prozent der älteren Erwachsenen gaben an, Gefühle von Einsamkeit zu empfinden. Häufig damit verbunden war in allen Gruppen gleichermaßen: das Leben als Single, wenig Kontakt mit den Nachbarn, gestörtes psychisches Wohlbefinden und – als deutlichster Zusammenhang – das Gefühl sozialer Isolation. Bei den jungen Erwachsenen hatte neben dem Bildungsstand die Beziehung zu Freunden den größten Einfluss auf das Einsamkeitsgefühl. Für die Mittelalten waren berufliche Stellung und familiäre Kontakte von größerer Bedeutung. Der Gesundheitsstatus spielte nur für die Gruppe der Älteren eine wichtige Rolle. Bei allen war der Zusammenhang zwischen psychischen Faktoren und Einsamkeit enger als der zwischen körperlicher Gesundheit und Einsamkeit. Die Bedeutung des Einkommens verringerte sich mit zunehmendem Alter. Wie bei jeder Beobachtungsstudie können die Ergebnisse keine ursächlichen Beziehungen nachweisen, sondern machen zunächst nur statistische Zusammenhänge deutlich. Mangels verfügbarer Daten waren Aussagen über eine mögliche und sehr wahrscheinliche Bedeutung der Qualität einer Paarbeziehung nicht möglich.
Einsamkeit zu empfinden sei nach Ansicht der Autoren umso wahrscheinlicher, je stärker eine für die jeweilige Altersgruppe bestehende Norm in der eigenen Realität nicht erfüllt wird – sei es nun eine abgeschlossene Ausbildung, eine sichere Anstellung, Familienleben oder Freizeitaktivitäten mit Freunden. Wegen des besonders hohen Stellenwertes von Kontakten mit Freunden könnten, so Franssen, die Einschränkungen während der Coronapandemie die Entwicklung von Einsamkeitsgefühlen bei jungen Menschen stärker begünstigen als bei älteren. Wie in diesem Fall sollten generell Hilfsmaßnahmen gezielter als bisher auf die Altersgruppe der Betroffenen abgestimmt werden.