Unterscheiden zwischen freundlichem und hämischem Grinsen

Der Mensch erkennt nicht nur vordergründig Freude, Wut oder Traurigkeit im Gesicht des Gegenüber, sein Hirn ordnet den Gefühlsausdruck auch der sozialen Situation entsprechend ein
Er ist  ärgerlich. Doch ob er sich über sich ärgert oder über jemand anderen, erkennt man erst in der konkreten Situation
Er ist ärgerlich. Doch ob er sich über sich ärgert oder über jemand anderen, erkennt man erst in der konkreten Situation
© Doris Marszk
Genf (Schweiz) - Wenn der Gesprächspartner die Augenbrauen zusammenzieht oder die Lippen breit öffnet, so dass die Zähne sichtbar werden, kann dies vieles bedeuten. Zusammengezogene Augenbrauen signalisieren konzentriertes Nachdenken, aber auch Ärger über sich selbst oder jemand anderen. Breit geöffnete Lippen können freundliches Lächeln oder hämisches Grinsen sein. Jetzt zeigt ein Schweizer Forscherteam, dass der Mensch blitzschnell erkennt, welche der konkurrierenden Deutungen die richtige ist. Die Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von Furcht oder Belohnung zuständig sind, wechseln dabei je nach Gegebenheit der Situation ihre Aktivität. Obendrein ließ die Hirnbeobachtung erkennen, welche Personen anderen gegenüber eher vorsichtig oder ängstlich geprägt sind, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift "PLoS ONE".

Parallele Hirnscans der Versuchspersonen während der Verhaltensstudie lieferten die Details für das Team um Pascal Vrtička von der Université de Genève. Insgesamt 16 Versuchspersonen sollten ein einfaches Computerspiel spielen, bei dem auftauchende Punkte auf dem Monitor richtig gezählt werden mussten. Unabhängig von der Korrektheit der gegebenen Antwort bekamen die Versuchspersonen ein lächelndes oder ärgerliches Gesicht eingeblendet. Die Wissenschaftler gaben den Versuchspersonen hierzu die Erläuterung, dass es sich um die Reaktionen von Spielern aus anderen Gruppen handele, die im gesamten Spielsystem Gegner oder Partner der Versuchspersonen seien. Wenn also auf die korrekte Antwort einer Versuchsperson ein ärgerliches Gesicht mit der Unterzeile "Gewonnen!" erschien, gehörte dieses Gesicht scheinbar zu einer gegnerischen Spielergruppe. Während des Spiels beobachteten die Forscher die Gehirnaktivität ihrer Probanden mithilfe der Magnetresonanz-Tomografie.

Sahen die eingeblendeten Gesichter glücklich aus, wenn es in der Unterzeile "Gewonnen!" hieß, zeigte sich bei den Versuchspersonen eine erhöhte Gehirnaktivität im ventralen Striatum und dem ventralen tegmentalen Areal, jenen Regionen, die für die Verarbeitung von Belohnungen zuständig sind. Denn das eingeblendete Gesicht wurde als Verbündeter im Spiel erkannt. Hatte eine Versuchsperson in einer Spielrunde nicht richtig geantwortet und es erschien ein ärgerliches Gesicht, dann wurde die Amygdala (Mandelkern) aktiv, in der Furcht und Wachsamkeit verarbeitet werden. Gehörte ein eingeblendetes Gesicht angeblich zur gegnerischen Mannschaft, verarbeitete das Gehirn der Versuchsperson den generischen Gesichtsausdruck im superioren temporalen Sulcus (STS) und dem anterioren cingulären Gyrus. Diese Regionen sind zuständig für die Vorstellungen, die man sich vom Innenleben anderer Menschen macht; in der Hirnforschung werden diese Vorstellungen häufig auch als "Theory of Mind" (TOM) bezeichnet.

In den beobachteten Gehirnaktivitäten zeigte sich nicht nur, wie ein Gesichtsausdruck gedeutet wurde. Wie Vrtička und seine Kollegen darlegen, konnten sie anhand der Gehirnscans auch erkennen, welche Versuchspersonen eher ängstlich auf die Reaktion anderer reagieren oder welche Versuchspersonen sehr darauf bedacht sind, Fehler zu vermeiden. Dadurch liefert die Forschung des Genfer Wissenschaftlerteams die biologische Grundlage für eine Verbindung zwischen dem persönlichen Bindungsstil und der Aktivität im Gehirn.

Université de Genève
Quelle: "Individual Attachment Style Modulates Human Amygdala and Striatum Activation during Social Appraisal", Vrtička P, Andersson F, Grandjean D, Sander D, Vuilleumier P; PLoS ONE 2008, 3(8): e2868. doi:10.1371/journal.pone.0002868


 

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