Überraschende Funktion einer bakteriellen Zellwandstruktur

Nicht nur die Zellwand, auch die äußere Membran von E. coli und anderen gramnegativen Bakterien trägt wesentlich zur mechanischen Stabilität der Zelle bei – und bietet Angriffspunkte für neue Antibiotika
Bei der Gramfärbung verhalten sich Staphylokkoken (blau) grampositiv und E. coli (rot) gramnegativ.
Bei der Gramfärbung verhalten sich Staphylokkoken (blau) grampositiv und E. coli (rot) gramnegativ.
© Y tambe / Creative-Commons (CC BY-SA 3.0), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
Stanford (USA) - Die stabile Form der Bakterienzelle beruht auf einer für diese Organismen einzigartigen Struktur der Zellwand. Indem Penicilline und verwandte Antibiotika diese Struktur angreifen, können sie wachsende Bakterien zum Platzen bringen. Jetzt haben amerikanische Biologen herausgefunden, dass auch die bei vielen Bakterien der Zellwand aufgelagerte sogenannte äußere Membran wesentlich zur Festigkeit und Stabilität der Zelle beiträgt. Daher könnten neue Wirkstoffe, die gegen diesen bisher unterschätzten Teil der Zellhülle gerichtet sind, den Erfolg einer antibiotischen Behandlung verbessern, schreiben die Forscher im Journal „Nature“.

„Wir haben entdeckt, dass die äußere Membran den Bakterien als Rüstung dienen kann, die sogar stärker ist als die Zellwand“, sagt Kerwyn Huang von der Stanford University. Bisher galt die äußere Membran hauptsächlich als chemische Barriere, die das Eindringen schädlicher Substanzen erschwert. Über diesen Teil der Zellhülle verfügen nur die gramnegativen Bakterien wie beispielsweise E. coli, Salmonellen oder Pseudomonaden. Die Bezeichnung kommt daher, dass sie durch die Gramfärbung im Gegensatz zu den grampositiven Bakterien nicht blau gefärbt werden. Grampositive Bakterien wie zum Beispiel Staphylokokken haben zwar eine dickere Zellwand, werden aber leichter durch Antibiotika abgetötet.

Die gesamte Zellhülle gramnegativer Bakterien ist dreischichtig: innen die Plasmamembran aus Phospholipiden, in der Mitte die dreidimensional vernetzte Zellwand aus Peptidoglykan und schließlich die äußere Membran, die unter anderem Lipopolysaccharide und Proteine enthält. Die innere Membran ist durchlässig für Wasser, nicht aber für darin gelöste Stoffe. Dadurch entsteht im Zellinnern normalerweise ein osmotischer Druck, dem die Zellhülle standhalten muss. Die Forscher untersuchten nun mit E. coli-Bakterien, welchen Anteil die äußere Membran an der mechanischen Stabilität der Zelle hat.

Dazu beobachteten sie Veränderungen aller drei Schichten der Zellhülle bei Bakterien, die vorübergehend in eine hypertonische Lösung übertragen wurden, so dass Wasser aus den Zellen austrat. Dabei zog sich, wie erwartet, die zuvor gedehnte Zellwand zusammen. Trotzdem veränderte sich die Zellform nicht, da die äußere Membran weitgehend stabil blieb. Einen mehrfachen kurzzeitigen Wechsel zwischen salzarmer und salzreicher Nährlösung, der zu starken Druckschwankungen im Zellinneren führte, überlebten die Bakterien nur, wenn die äußere Membran völlig intakt war. Das zeigte, welche große Bedeutung die äußere Membran für die mechanische Belastung der Zellhülle hat. Es sei peinlich, dass diese wichtige Funktion all die Jahre übersehen wurde, sagt Huang.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass Bakterien, deren Zellwand durch Antibiotika geschädigt wurde, eher abstarben, wenn auch die äußere Membran defekt war. Andernfalls können sie eine Zeit lang als zellwandlose Formen überleben und später wieder normale Zellformen bilden. Das kann auch nach einer Antibiotikatherapie geschehen. Daher würde die Kombination mit einem Wirkstoff, der gezielt die äußere Membran angreift, die Effektivität einer Behandlung von Infektionen durch gramnegative Bakterien erhöhen. Inzwischen konnten die Forscher als mögliche Angriffspunkte solcher Wirkstoffe einige Bestandteile der äußeren Membran identifizieren, die für deren erstaunliche Festigkeit verantwortlich sind.

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