Superflüssige Stürme

„Das Verhalten von Superflüssigkeiten an Grenzflächen ist ein fundamentales Problem der Physik“, sagt Nick G. Parker vom Joint Quantum Centre JQC an der Newcastle University. Zusammen mit seinen Kollegen simulierte der theoretische Physiker das Verhalten von suprafluiden Helium an den Wänden eines Behälters. Im ihrem aufwendigen Computermodell berücksichtigten sie die physikalischen Eigenschaften des suprafluiden Edelgas und seine Wechselwirkung mit einer Grenzfläche. Dabei erkannten sie, dass die Flüssigkeit zwar keine Strömungsreibung im klassischen Sinn zeigte, sich dafür aber zahlreiche Wirbel bilden konnten, die wie Mini-Tornados über die Grenzfläche fegten.
„In einer Tasse mit superflüssigem Helium sollte eine gerührte Flüssigkeit für immer weiter rotieren können, da keine Reibung wirkt“, sagt George Stagg, ein Kollegen von Parker. Doch die Simulation zeigte ein völlig anderes Verhalten, das die Forscher überraschte. Denn nur eine kleine Unebenheit – in der Simulation ein winziger Nanodraht aus einer Niobtitan-Legierung – reichte aus, um an der Grenzfläche eine dünne Schicht aus zahlreichen, sich ineinander verhedderten Wirbeln entstehen zu lassen. Die Wirbelschicht bremste die Rotation der Flüssigkeit nach und nach, so dass sie nach einiger Zeit wieder zum Stillstand kam.
„Die Quantenwirbel verursachten ein Verhalten vergleichbar mit einer klassischen Flüssigkeit“, sagt Parker. Diese theoretische Vorhersage zeigt nun erstmals, wie Superflüssigkeiten über realistische, nicht perfekt glatte Oberflächen strömen könnte. Aufbauend auf der Simulation könnten nun Experimente folgen, um die Existenz der ineinander verhedderten Wirbel zu belegen. Das Ergebnis wäre nicht nur für die Grundlagenforschung interessant. Da flüssiges Helium auch in supraleitenden Magneten etwa in Teilchenbeschleunigern genutzt wird, ließe sich die Kühlung dieser Magnete mit einem besseren Verständnis des superflüssigen Heliums optimieren.