Sturmwarnung: Sperlingsvögel spüren nahendes Unwetter

Dachsammern reagieren auf niedrigeren Luftdruck beim Aufziehen eines Unwetters mit Vorbereitungen, indem sie sich eine kleine Reserve anfressen
Die Dachsammer (Zonotrichia leucophrys)
Die Dachsammer (Zonotrichia leucophrys)
© Kramer, Gary, U.S. Fish and Wildlife Service
Missoula (USA) - Sperlingsvögel können spüren, wenn ein Sturm aufzieht – und zwar durch den abfallenden Luftdruck. Dachsammern treffen dann gezielt Vorbereitungen: Sie reagieren mit Fressen, berichten US-Biologen im „Journal of Experimental Biology“. Die angefutterte kleine Zusatzreserve erhöht ihre Überlebenschancen. Die genauen Mechanismen hinter dem beobachteten Verhalten sind bislang allerdings nicht eindeutig geklärt. Körperliche Stressreaktionen auf den Luftdruckabfall konnten die Forscher als treibende Kraft ganz klar ausschließen – sowohl anhand von Daten aus freier Wildbahn als auch anhand von Laborexperimenten. Daher müssen andere Faktoren eine Rolle spielen, womöglich hormonell gesteuerte Systeme außer typischen Stressmechanismen oder neurologische Vorgänge.

„Wenn ein Sturm aufzieht und Schnee fällt, sinkt die Verfügbarkeit von Futter gen Null und die meisten Tiere werden ihre Territorien verlassen“, erläutert Creagh Breuner von der University of Montana. Insbesondere für kleine warmblütige Wirbeltiere wie Vögel bedeutet ein solches Wetterextrem eine nicht unerhebliche Belastung. Verringerte Temperaturen und starker Wind erhöhen den Energieverbrauch, gleichzeitig wird die Futtersuche erschwert, was die Energiezufuhr einschränkt. Viele Tiere haben daher Strategien entwickelt, drohendes Unwetter zu wittern und vorzubeugen – Sperlingsvögel offenbar, indem sie durch erhöhte Futteraufnahme ihre Reserven aufstocken. „Bei kaltem Wetter können sie ihre Fettreserven innerhalb von 24 Stunden verbrennen, weshalb selbst eine geringe Zunahme der Fettmasse, bevor ein Sturm aufzieht, einen relevanten Unterschied ausmachen würde“, sagt Breuner.

Zwar ist bekannt, erläutert die Biologin, dass Vögel Luftdruckveränderungen spüren können. Ob sie aber daraus auch tatsächlich eine Unwettervorhersage treffen können, welche Mechanismen dahinter stecken und wie genau die Tiere dann reagieren, war bisher unklar. Die Biologin ging dem Phänomen daher auf den Grund – bei Dachsammern (Zonotrichia leucophrys) in den Bergen der Sierra Nevada. Zunächst arbeitete sie sich durch jahrelange Aufzeichnungen ihrer Feldstudien zu den Sperlingsvögeln, um einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Luftdruckabfall vor einem Sturm und veränderten Stresshormonwerten bei den Vögeln aufdecken zu können. „Ich weiß, wann Stürme losgehen, ich bin da draußen und schreibe in mein Notizbuch – es fängt grade an zu schneien“, erzählt Breuner. „Also nahm ich mir sechs Schnee-Ereignisse vor und schaute nach, was davor mit dem Luftdruck passierte.“

Tatsächlich bestätigte sich, dass in den zwölf Stunden vor einem Sturm der Luftdruck stetig abfiel. Diese Wetterdaten glich die Biologin mit Daten aus Blutproben ab, die die Forscher regelmäßig bei den Vögeln gesammelt hatten. Mit zeitlich passenden Blutwerten wollte sie herausfinden, ob sich die Werte bestimmter Stresshormone beim Luftdruckabfall verändert hatten – dies war aber nicht der Fall. Körperliche Stressreaktionen als Ursache des Verhaltens fielen damit aus. Gemeinsam mit ihrem Mann Arthur Woods und anderen Kollegen untersuchte Breuner das Phänomen dann auch unter Laborbedingungen. In einer speziellen Versuchskammer aus Plexiglas, in der sich der Luftdruck gezielt manipulieren ließ, stellten sie die typischen Veränderungen vor einem Unwetter nach. Dabei beobachteten die Biologen das Verhalten der Dachsammern in der Kammer und konnten außerdem Blutproben der Vögel analysieren.

Wieder stellten sie fest, dass sich die Stresshormonwerte nicht änderten. Aber sie konnten ganz klar beobachten, dass die Tiere bei charakteristischem Luftdruckabfall mehr Futter zu sich nahmen. Damit liegt nahe: Die Singvögel sind offenbar in der Lage, Luftdruckveränderungen wahrzunehmen, als Wettervorhersage zu deuten und entsprechend zu reagieren. Sie bereiten sich auf das drohende Unwetter vor, mit verstärkter Futteraufnahme. „Solch eine Fähigkeit“, schreiben Breuner und ihre Kollegen, „könnte unter Wildtieren weit verbreitet sein, insbesondere bei kleinen, für die Stürme lebensbedrohliche Ereignisse sein können.“

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