Silberfische täuschen Ameisen mit chemischem Tarnmantel

Die in Ameisennester eingedrungenen diebischen Parasiten bleiben unerkannt, weil sie ihren Körper mit den Duftstoffen ihrer Wirte einreiben
Kleptoparasitischer Silberfisch (Malayatelura ponerophila) umgeben von Wanderameisen (Leptogenys distinguenda)
Kleptoparasitischer Silberfisch (Malayatelura ponerophila) umgeben von Wanderameisen (Leptogenys distinguenda)
© Christoph von Beeren
München - Parasitische Silberfische können unbehelligt in Nestern von Wanderameisen leben und sich aus deren Nahrungsvorräten bedienen. Wie es ihnen gelingt, den schützenden Geruch der Ameisen anzunehmen und so unerkannt zu bleiben, haben deutsche Biologen jetzt herausgefunden. Die Parasiten schmiegen sich des Öfteren an junge Ameisen, so dass deren Geruchsstoffe auf ihren Körper übertragen werden. Da Ameisen schlecht sehen, lässt sich dadurch die gesamte Kolonie täuschen. Diese Form der chemischen Mimikry ist für die Silberfische weniger aufwendig, als wenn sie den tarnenden Körpergeruch selbst produzieren müssten, schreiben die Forscher im Online-Journal "BMC Ecology".

"Die Ameisen haben sich mit einem komplexen System der Geruchserkennung ausgestattet, um ihr Nest vor Räubern und Parasiten zu schützen. Aber den Silberfischen gelingt es, die Ameisen zu überlisten, indem sie die chemischen Erkennungssignale von ihrem Wirt übernehmen", sagt Volker Witte von der Universität München. Sein Forscherteam untersuchte das Verhalten südostasiatischer Wanderameisen (Leptogenys distinguenda) und sogenannter kleptoparasitischer Silberfische (Malayatelura ponerophila). Diese leben dauerhaft im Ameisenbau und ernähren sich von gestohlener Nahrung. Auf der Körperoberfläche der Ameisen konnten die Biologen 70 verschiedene Kohlenwasserstoffe nachweisen, die den für das jeweilige Ameisenvolk typischen Geruch erzeugen. Eindringlinge, die sich nicht durch diese Duftmarke ausweisen können, werden normalerweise vertrieben oder sogar getötet. Trotzdem leben nicht nur Silberfische, sondern auch bestimmte Arten von Spinnen, Käfern oder Milben oft als Dauermieter in den Nestern der Wanderameisen. Das ist nur möglich, wenn sie den Nestgeruch vortäuschen, den Eigengeruch unterdrücken oder die Geruchswahrnehmung der unfreiwilligen Gastgeber stören können.

Die Münchner Forscher konnten durch Isotopenmarkierung der von den Ameisen produzierten Duftstoffe erstmals nachweisen, dass diese über direkten Körperkontakt auf den Körper der Silberfische gelangen. Die Parasiten stehlen also nicht nur Nahrung, sondern auch die Geruchsstoffe von ihrem Wirt. Zudem bestätigten die Biologen die Schutzfunktion der Kohlenwasserstoffe: Sie hielten Silberfische mehrere Tage außerhalb "ihres" Ameisennestes, so dass ihr Körpergeruch verblasste. Wenn diese Tiere dann in das Nest zurückkehrten, lösten sie aggressives Verhalten der Ameisen aus. Für die Futterräuber ist es also lebenswichtig, die täuschenden Duftstoffe ständig zu erneuern.

Eine Wirt-Parasit-Beziehung entwickelt sich über lange Zeiträume in Form eines biologischen Wettrüstens: Der Parasit setzt Waffen und Strategien ein, auf die der Wirt mit Gegenmaßnahmen reagiert. Im vorliegenden Fall haben die Silberfische den Schutz des komplexen, nicht leicht zu imitierenden Duftgemisches dadurch unterlaufen, dass sie diese Substanzen einfach direkt übernehmen. Die Geruchsstoffe selbst herzustellen wäre wohl mit einem zu ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis verbunden.

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Quelle: "Acquisition of chemical recognition cues facilitates integration into ant societies", Christoph von Beeren et al.; BMC Ecology (im Druck), http://www.biomedcentral.com/bmcecol/


 

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