Sieg macht aggressiver
"Unsere Arbeit mit Grillen zeigt, dass die physische Belastung des Kämpfens zusammen mit einem Belohnungsgefühl beim Gewinnen zu einer vorübergehenden Verstärkung des aggressiven Verhaltens führt", schreiben Jan Rillich von der Freien Universität Berlin und Paul Stevenson von der Universität Leipzig. Die Forscher inszenierten Turniere zwischen männlichen Mittelmeer-Feldgrillen (Gryllus bimaculatus), die auch unter natürlichen Bedingungen um die Rangordnung in ihrer Gruppe kämpfen. Während solcher Auseinandersetzungen stieg der Spiegel des Hormons Octopamin bei allen Tieren fast auf das Fünffache an. Aber nur der Sieger verhielt sich dann im nächsten Kampf aggressiver als zuvor, er kämpfte länger und seine Siegchancen verbesserten sich.
Für den Sieger-Effekt war bereits die körperliche Anstrengung entscheidend, denn er trat auch dann ein, wenn die Forscher einen Kampf vor dem Ende abbrachen. Andererseits kam der Effekt ebenfalls zustande, wenn der Gegner ohne jeden Kampf aufgab, das heißt auch das "Gefühl" des Sieges spielte eine wichtige Rolle. Beim Gewinner ließ der Zustand erhöhter Aggressivität bereits fünf Minuten nach Ende des Kampfes wieder nach und war nach 20 Minuten ganz verflogen. Im Gegensatz dazu dauerte eine verminderte Aggressivität des Verlierers noch mehrere Stunden an. Die biochemische Ursache dieses Verlierer-Effekts ist noch unbekannt.
Die Behandlung mit Epinastin, einem Hemmstoff, der die Wirkung von Octopamin blockiert, schaltete den Sieger-Effekt völlig aus. Hemmstoffe, die andere auf Nerven einwirkende Hormone blockieren, blieben wirkungslos. Octopamin wirkt bei Insekten auf ähnliche Weise anregend wie die Nebennierenhormone Adrenalin und Noradrenalin bei Säugetieren. Aber bei diesen hält der Sieger-Effekt länger an und beruht in erster Linie auf einem Anstieg des Testosteronspiegels. Die Forscher halten es jedoch für möglich, dass - wenn auch in geringerem Maß - das Adrenalinsystem ebenfalls daran beteiligt sein könnte.