Schutz vor Augeninfektion: Neue ungewöhnliche Keimabwehr entdeckt
„Aus Keratin hergestellte antimikrobielle Peptide könnten genutzt werden, um als robuste, biokompatible und effektive Wirkstoffe Infektionen zu bekämpfen“, schreiben Suzanne Fleiszig und Kollegen von der University of California in Berkeley. Sie haben menschliche Hornhautzellen im Labor vermehrt und Zellextrakte auf bakterientötende Bestandteile untersucht. Die chemische Analyse der identifizierten Peptide ergab, dass die Moleküle durch Spaltung des Proteins Cytokeratin 6A entstanden waren. Bisher glaubte man, dass dieses Keratin – so wie die mehr als zwanzig anderen Keratin-Arten in anderen menschlichen Zelltypen auch – lediglich als Gerüstsubstanz dient, deren Fasern die Stabilität und den Zusammenhalt der Zellen verstärken. Wie die neuen Ergebnisse nun zeigen, ist das Keratin in den Hornhautzellen offenbar auch eine stets verfügbare Quelle zur Produktion von Wirkstoffen des angeborenen Immunsystems. Dieses bildet damit eine erste, vordere Verteidigungsfront gegen Erreger und überbrückt die Zeit, bis weitere Abwehrmaßnahmen aktiviert worden sind.
Auch chemisch hergestellte Keratin-Peptide erwiesen sich in Reagenzglastests als wirksam gegen unterschiedliche Bakterienarten, darunter Pseudomonaden, E. coli, Staphylokokken und Streptokokken. Die Peptide töten die Erreger ab, indem sie die Zellmembran der Mikroben durchlöchern. Der genaue Wirkmechanismus wird noch untersucht. In Experimenten mit Mäusen bestätigten die Forscher die Bedeutung der neu entdeckten Form der Erregerabwehr: Tiere, deren Produktion von Cytokeratin 6A gehemmt wurde, waren anfälliger für Pseudomonas-Infektionen des Auges.
Die Freisetzung von Keratin-Peptiden durch Hornhautzellen könnte ein wichtiger Teil eines gestaffelten Abwehrsystems des Auges sein, vermutet Michael Zasloff von der Georgetown University in Washington in einem begleitenden Kommentar. Demnach besteht der äußere Verteidigungsring aus dem Tränenfilm, der das Enzym Lysozym und zwei weitere antibakterielle Proteine enthält. Gelingt es den Mikroben, in die darunter liegende Schleimschicht vorzudringen, werden sie dort durch Beta-Defensin-1 und andere Abwehrstoffe angegriffen. Gelangen die Keime sogar bis zu den Epithelzellen der Hornhaut, könnte das in kurzer Zeit die Produktion von Keratin-Peptiden verstärken. Weitere Forschungen müssen zeigen, wie die Regulation der Keratinspaltung erfolgt und ob, je nach Art des Bakteriums, unterschiedliche Peptide gebildet werden. Noch sei unklar, so Zasloff, wie verbreitet diese Form der Keratin-abhängigen Erregerabwehr ist. Möglicherweise könnten auch Haut- und Schleimhautzellen, die andere Typen von Keratin enthalten, diesen Mechanismus nutzen.