Schnecke mit Solarantrieb

Eine Meeresschnecke kann wie Pflanzen ihren Energiebedarf durch Sonnenstrahlung decken - indem sie für die Photosynthese nötige Zellteile aus ihren Futteralgen im eigenen Körper ablagert
Die Schneckenart
Die Schneckenart "Elysia chlorotica" sieht nicht nur aus wie ihre bevorzugte Fressalge "Vaucheria litorea", sie nutzt auch deren Gene, um Photosynthese zu betreiben
© Mary S. Tyler, University of Maine, PNAS
Orono (Maine) - Manche Tiere sehen zur Tarnung aus wie Pflanzen - doch mindestens eine Tierart schafft es auch, wie Pflanzen zu leben, nämlich von Licht und Wasser: Eine Wasserschnecke nutzt einen Trick, um im eigenen Körper per Photosynthese Solarenergie zu ernten. Jetzt haben US-Forscher die Details herausgefunden: Die Atlantischen Nacktschnecken (Elysia chlorotica) können ihr Leben lang ohne Nahrung auskommen, wenn sie nur die ersten beiden Lebenswochen ihre Lieblingsalgen (Vaucheria litorea) zu fressen bekommen. Dann lagern sie Teile der so genannten Chloroplasten, mit denen die Grünalgen Photosynthese betreiben, im eigenen Körper ab. Dazu besitzen sie spezielle Gene, die noch von keinem anderen Tier bekannt sind, berichten die Forscher im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).

"Die Schnecke ist völlig abhängig von der Alge, um zu überleben", erklärt James Manhardt, Biologieprofessor an der Texas U+M University. "Hat sie aber einmal genügend Chloroplasten angesammelt, kann sie für mindestens neun Monate überleben, wie Pflanzen, indem sie Solarenergie einfängt und in Nährstoffe verwandelt". Die Lebensdauer der daumenlangen Schneckenart liegt bei nur knapp einem Jahr. Manhardt hatte, gemeinsam mit der Evolutionsbiologin Mary Rumpho von der University of Maine und anderen Kollegen, die Gene der Schnecken analysiert. Pflanzen- und Algenzellen enthalten Chloroplasten, winzige Zellorganellen, die das Sonnenlicht via Photosynthese aufnehmen und dessen Energie in energiereiche Verbindungen umwandeln können. Für diese Fähigkeit ist gleich eine ganze Gruppe von Genen notwendig, so Manhardt: "Photosynthese benötigt rund 2000 bis 3000 Gene, und Tiere besitzen nicht viele der wichtigen Gene dafür". Tiere fressen stattdessen die Pflanzen und nutzen via Verdauung die chemisch gespeicherten Energievorräte der Pflanzen und Algen.

Die Meeresschnecke hingegen verdaut nur einen Teil der Algen. Die Chloroplasten verbleiben in der Schnecke, setzen ihre Photosynthese fort und liefern dem Tier Energie. Noch ist den Forschern unklar, wie es die Schnecken schaffen, die Organellen aus dem Verdauungsvorgang herauszuhalten. Doch im Erbgut der Meeresschnecke entdeckten sie mindestens ein für die Photosynthese notwendiges Gen, das in noch keinem anderen Tier entdeckt worden ist, so Manhardt: "Kritisch sind die Chloroplasten, die von der Alge kommen, doch der Zellkern der Schnecken enthält mindestens eins, und wahrscheinlich mehrere der Gene, die für das Funktionieren der Chloroplasten nötig sind". Jungtiere besitzen also bereits durch Vererbung einige Voraussetzungen, um Photosynthese zu betreiben, doch erst das Fressen der Algen liefert ihnen alle nötigen Bausteine. Im Laufe der Evolution könnte diese Symbiose eines fernen Tages gar dazu führen, dass die Schnecke sich zum einzigen natürlich entstandenen Tier mit Solarantrieb entwickelt.

PNAS, UMaine
Quelle: "Horizontal gene transfer of the algal nuclear gene psbO to the photosynthetic sea slug Elysia chlorotica", Mary E. Rumpho, James R. Manhart et al; Proceedings of the National Academy of Sciences, Vol. 105 No. 46 , S. 17867-17871


 

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