Schmelzende Eishülle verringert Strömungswiderstand

Überraschender Effekt könnte Treibstoffverbrauch von Frachtern auf Fahrten durch polare Gewässer reduzieren
Weniger Widerstand: Ab einer bestimmten Geschwindigkeit fällt eine vereiste Metallkugel schneller. Verantwortlich ist eine verjüngte Turbulenzzone hinter der Kugel.
Weniger Widerstand: Ab einer bestimmten Geschwindigkeit fällt eine vereiste Metallkugel schneller. Verantwortlich ist eine verjüngte Turbulenzzone hinter der Kugel.
© Ivan U. Vakarelski et al., PRL, KAUST
Thuwal (Saudi Arabien) - Jeder Golfball fliegt mit seinen bis zu 450 kleinen Dellen weiter als mit einer glatten Oberfläche. Der Grund liegt in zahlreichen kleinen Luftwirbeln, die den Strömungswiderstand des fliegenden Balls reduzieren. In Wassertanks beobachteten nun Wissenschaftler in Saudi Arabien einen vergleichbaren Effekt. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, sanken kleine Metallkugeln mit einer Eishülle deutlich schneller ab als ohne den schmelzenden Mantel. Dieser Effekt könnte das flotte Driften von Eisbergen erklären helfen und zu schnelleren Schiffsfahrten durch arktische Gewässer führen.

„Auf dem ersten Blick sollte es eigentlich keinen Grund geben, warum vereiste Objekte einen anderen Strömungswiderstand haben als sonstige festen Körper“, sagt Ivan Vakarelski, der an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Thuwal forscht. Doch seine Experimente, die er zusammen mit dem Australier Derek Chan von der University of Melbourne analysierte, zeigten genau dieses überraschende Verhalten.

Vakarelski und Kollegen ließen sowohl eine Stahlkugel mit sechs Zentimeter Durchmesser als auch eine mit einer einen Zentimter dicken Eisschicht umhüllten Wolframkarbid-Kugel in einem knapp zweieinhalb Meter hohen Wassertank fallen. Beide Kugel wogen bei gleichen Ausmaßen gleich viel. Doch die vereiste Kugel erreichte den Boden des Wassertanks früher und beschleunigte auf eine um gut ein Drittel höhere Fallgeschwindigkeit. Der Strömungswiderstand war dabei um etwa 50 Prozent verringert.

Um dieses Phänomen zu verstehen, verfolgten die Forscher den Kugelfall mit einer Hochgeschwindigkeitskamera. Zudem mischten sie einen Farbstoff in die schmelzende Eishülle. So konnten sie beobachten, dass sich der zuerst breite Schweif an Turbulenzen hinter der fallenden Kugel ab einer Geschwindigkeit von 2,4 Metern pro Sekunde stark verjüngte. Parallel verringerte sich der Strömungswiderstand der Kugel.

Allein mit dem ein wenig schrumpfenden Durchmesser der vereisten Kugel konnte das schnellere Fallen nicht erklärt werden. Vielmehr sei der Einfluss des Schmelzwassers auf die Bildung von Verwirbelungen im Wasser verantwortlich für diesen Übergang, der auch Krise des Strömungswiderstands genannt. Diese „Krise“ erklärt auch die längeren Flugbahnen von Golfbällen, da sie dank der zahlreichen Dellen bei geringeren Geschwindigkeiten auftritt als bei glatten Bällen.

Um diesen überraschenden hydrodynamischen Effekt vollends erklären zu können, sind noch weitere Experimente und Simulationen nötig. Dann ließe sich auch die Driftgeschwindigkeit von Eisbergen besser verstehen. Für die Schifffahrt könnte sogar ein konkreter Nutzen entstehen. Denn wenn die Rümpfe von Frachtern auf ihren Routen durch Polarregionen mit einer dünnen Eisschicht bedeckt wären, ließe sich der Strömungswiderstand und damit der Treibstoffverbrauch verringern. Eine ähnliche Reduzierung des Strömungswiderstands können auch zahlreiche Luftblasen auf den Schiffsrümpfen verursachen. Diese Idee wurde bereits mit ersten Prototypen erfolgreich getestet.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg