Rotkehlchen "sehen" das Magnetfeld der Erde

Nicht magnetische Kristalle im Schnabel, sondern Pigmente im Auge ermöglichen es dem Zugvogel, das Magnetfeld wahrzunehmen und zur Navigation zu nutzen
Rotkehlchen (Erithacus rubecula)
Rotkehlchen (Erithacus rubecula)
© H. Mouritsen
Oldenburg - Zusätzlich zum Sonnen- und Sternenkompass nutzen nachts ziehende Zugvögel das Magnetfeld der Erde zur Navigation. Deutsche Biologen konnten jetzt erstmals nachweisen, dass sich die dafür benötigten Sinneszellen bei Rotkehlchen in den Augen befinden. Gleichzeitig widerlegen die Experimente die Vermutung, dass eisenhaltige Kristalle im Schnabel der Vögel als Magnetsensoren dienen. Stattdessen registrieren lichtempfindliche Pigmente Veränderungen des Magnetfelds und leiten Signale zur Verarbeitung in eine bestimmte Hirnregion des Sehzentrums, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".

"Unsere Erkenntnisse könnten genutzt werden, um Zugvögel und andere Tierarten besser schützen zu können", sagt Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg. Denn oft würden sich Tierschützer vergeblich bemühen, bedrohte Zugvögel in neue Brutgebiete umzusiedeln oder ihre Flugroute zu ändern. Wenn der Mechanismus der Flugorientierung - und damit des magnetischen Sinns - aufgeklärt ist, so Mouritsen, könnten solche Versuche erfolgreicher sein. Die Mitglieder der Oldenburger Arbeitsgruppe Neurosensorik hatten die Fähigkeit von 36 Rotkehlchen überprüft, sich im Magnetfeld zu orientieren. Aus früheren Versuchen war bekannt, dass das so genannte Cluster N, eine Region im Bereich des Sehzentrums des Gehirns, bei dieser Sinnesleistung besonders aktiv ist.

Wenn diese Hirnregion mit chemischen Mitteln geschädigt wurde, verloren die Vögel ihren Magnetsinn. Sie konnten sich aber weiterhin an Sonnenstand und Sternenhimmel orientieren. Die Sinneszellen, die auf das Magnetfeld reagieren, müssen demnach ihre Information von den Augen in das Cluster N weiterleiten, wo sie verarbeitet und für die Navigation genutzt werden. Die in der oberen Schnabelhaut der Rotkehlchen nachgewiesenen Eisenmineralkristalle spielen für den Magnetsinn keine Rolle. Das zeigten die Forscher, indem sie den Trigeminusnerv, die einzige Nervenverbindung zwischen Schnabel und Gehirn, durchtrennten, was die Orientierung der Vögel im Magnetfeld nicht beeinträchtigte. Weitere Forschungen, so Mouritsen, könnten auch Hinweise darauf liefern, ob und wie Magnetfelder beim Menschen - möglicherweise schädliche - Veränderungen im Gewebe bewirken könnten.

Der Magnetsinn beruht darauf, den Neigungswinkel der magnetischen Feldlinien wahrzunehmen. Am Äquator verlaufen sie parallel zur Erdoberfläche, an den Polen senkrecht dazu. Nach einer Theorie beeinflusst das Magnetfeld das Verhalten von durch Licht angeregten Molekülen im Auge. Andererseits könnten auch Zellen in anderen Körperteilen, die eisenhaltige Magnetite enthalten, an der Wahrnehmung magnetischer Felder beteiligt sein.

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Quelle: "Visual but not trigeminal mediation of magnetic compass information in a migratory bird", Manuela Zapka et al.; Nature, Vol.461, p. 1274, doi:10.1038/nature08528


 

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