Ritterliche Insekten

"Wir zeigen, dass sich auch die Männchen kleiner Insekten ihrer Partnerin gegenüber 'ritterlich' oder als Beschützer verhalten können", sagt Rolando Rodríguez-Muñoz von der University of Exeter. Während drei aufeinander folgender Brutzeiten beobachtete sein Forscherteam das Verhalten von Feldgrillen (Gryllus campestris) einer Population in Nordspanien. Dazu markierten die Biologen jedes einzelne Insekt mit winzigen Aufklebern und erstellten individuelle DNA-Profile mit Hilfe kleiner Gewebeproben. Infrarot-Videokameras lieferten mehr als 200.000 Stunden an Filmmaterial, welches das Verhalten der Grillen in der Nähe ihrer Erdlöcher dokumentierte.
Für Single-Grillen beider Geschlechter war das Risiko, von Vögeln oder anderen Räubern gefressen zu werden, gleich groß. Aber für Paare, die sich vorübergehend ein Erdloch teilten, erhöhte sich dieses Risiko bei den Männchen, während die Weibchen höhere Überlebenschancen hatten. "Für die Männchen scheint das Beschützen oberste Priorität zu haben. Es sieht wirklich so aus, als ob sie warten, bis die Weibchen in Deckung sind, bevor sie sich selbst in Sicherheit bringen", beschreibt Teammitglied Tom Tregenza die Reaktion der Insekten bei Gefahr. Vom ritterlichen Verhalten profitieren beide Geschlechter, indem sie die Zahl ihrer Nachkommen erhöhen. Allerdings zahlen die Männchen dafür einen höheren Preis.
Aus früheren Beobachtungen im Labor hatten Forscher geschlossen, dass männliche Grillen ihre Partnerin nach der Kopulation wie eine Gefangene bewachen, damit sie nicht von anderen Männchen begattet werden. Dagegen zeigen die neuen Ergebnisse, dass sich unter Freilandbedingungen aggressives Verhalten der Männchen nur gegen Rivalen, aber nie gegen die Weibchen richtet. Beide Geschlechter der polygamen Grillen verhielten sich in der Zeit des paarweisen Zusammenlebens kooperativ. Die Resultate ließen sich wahrscheinlich auf andere Insektenarten übertragen und seien möglicherweise auch für andere Tiere relevant, sagt Tregenza. "Vielleicht werden Weibchen gar nicht so schlecht behandelt, wie wir bisher immer dachten." Weitere Beobachtungen sollen klären, ob sich das Verhalten der Grillen durch veränderte Umweltbedingungen beeinflussen lässt.