Qualitätskontrolle erforderlich: Reprogrammierte Hautzellen zeigen DNA-Schäden

Bevor iPS-Zellen für medizinische Zwecke nutzbar sind, muss das gesamte Genom auf Fehler geprüft werden, die bei der Reprogrammierung entstanden sind
Toronto (Kanada)/San Diego (USA) - Reprogrammierte menschliche Hautzellen könnten in Zukunft eingesetzt werden, um zerstörtes Gewebe zu regenerieren. Dazu muss allerdings sichergestellt sein, dass die Erzeugung dieser induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) deren Erbgut nicht schädigt. Beim jetzigen Stand der Technik sind solche DNA-Schäden offenbar noch unvermeidlich, berichten zwei Forscherteams im Fachjournal "Nature". In jeder untersuchten iPS-Zellkultur waren unterschiedliche Arten von Mutationen nachweisbar, wovon einige durch den Herstellungsprozess entstanden waren. Um damit verbundene Sicherheitsrisiken zu vermindern, sind vollständige Genomanalysen der Zellen nötig, bevor sie zu therapeutischen Zwecken genutzt werden können.

"Bei der Reprogrammierung und dem Wachstum von reprogrammierten Zellen kann es zu Fehlern auf genetischer Ebene kommen. Vor einem klinischen Einsatz müssen wir sicherstellen, dass die Zellen nicht durch Krebs auslösende oder andere schwerwiegenden Mutationen geschädigt sind", sagt Kun Zhang von der University of California in San Diego, leitender Wissenschaftler eines der beiden Forscherteams. iPS-Zellen besitzen ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen. Sie werden aus normalen Körperzellen erzeugt, indem man bestimmte abgeschaltete Gene reaktiviert. Andere Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass diese epigenetische Reprogrammierung nicht ganz vollständig erfolgt. Trotzdem können sich iPS-Zellen unter geeigneten Wachstumsbedingungen in verschiedene Zelltypen weiterentwickeln. Damit wären eines Tages Zelltherapien möglich, um zerstörtes Gewebe zu ersetzen.

Die Forscher um Zhang untersuchten 22 Kulturen menschlicher iPS-Zellen, die in sieben Forschungslabors mit verschiedenen Methoden erzeugt worden waren, auf Punktmutationen in den Genen. Die Häufigkeit solcher Veränderungen einzelner DNA-Bausteine war zehnmal höher als bei den Hautzellen, aus denen die iPS-Zellen hervorgegangen waren. Die Hälfte der Mutationen entstanden während der Reprogrammierung oder der anschließenden Vermehrung, die andere Hälfte lag bereits in den Ausgangszellen vor. Eine zweite, internationale Forschergruppe untersuchte Kulturen von iPS-Zellen auf größere Erbgutveränderungen, die durch Umlagerungen, Verlust oder Verdopplungen von DNA-Abschnitten zustande kommen. Solche Mutationen waren, insbesondere bei frisch erzeugten iPS-Zellen, häufiger nachweisbar als bei embryonalen Stammzellen. "Diese Mutationen könnten die Eigenschaften der Stammzellen verändern und damit ihre Einsatzmöglichkeiten beeinträchtigen", sagt Andras Nagy vom Samuel Lunenfeld Research Institute in Toronto, der zusammen mit Timo Otonkoski von der Universität Helsinki das Projekt leitete.

Die meisten der Verluste oder Verdopplungen von DNA-Abschnitten in frisch erzeugten iPS-Zellen gingen nach mehrwöchigem Wachstum wieder verloren: Die Selektion begünstigte die Vermehrung der weniger stark geschädigten Zellen. "Aber einige für die Zellen nützliche Mutationen könnten während des Wachstums bestehen bleiben", sagt Otonkoski. Genomanalysen mithilfe neuer Techniken der DNA-Sequenzierung sollten in Zukunft die genetische Qualität von iPS-Zellen überprüfen. Außerdem, so die Forscher, seien neue Methoden nötig, um solche Zellen mit weniger DNA-Schäden zu erzeugen. Mehrere Forschergruppen arbeiten daran, nur die Effizienz der Reprogrammierung zu verbessern. Das könnte aber gleichzeitig auch das Ausmaß der DNA-Schäden vergrößern und damit die Qualität der Zellen verringern, warnt Erstautor Samer Hussein.

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Quelle: "Copy number variation and selection during reprogramming to pluripotency", Samer M. Hussein et al.; Nature, Vol. 471, p. 58, doi:10.1038/nature09871
"Somatic coding mutations in human induced pluripotent stem cells", Athurva Gore et al.; Nature, Vol. 471, p. 63, doi:10.1038/nature09805


 

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