Prognose: Wie Zugvögel unter der Klimaerwärmung leiden werden

Durch die erwartete Klimaveränderung werden sich die Brutgebiete vieler europäischer Zugvögel nach Norden verlagern, so dass der Weg ins Winterquartier länger wird
Dorngrasmücke (Sylvia communis)
Dorngrasmücke (Sylvia communis)
© Sue Tranter, rspb-images.com
Durham (Großbritannien) - Die Erwärmung des Klimas wird noch in diesem Jahrhundert negative Auswirkungen auf europäische Zugvögel haben. Zu diesem Ergebnis kommen Modelluntersuchungen britischer Biologen, die den Einfluss des veränderten Klimas auf die Brutgebiete verschiedener Grasmückenarten vorhersagen. Insbesondere für die Langstreckenzieher, deren Route über die Sahara führt, wird sich die Flugstrecke durch die nach Norden verlagerten Brutgebiete deutlich verlängern. Während sich einige Arten irgendwie anpassen könnten, würde das Überleben anderer durch die Zusatzbelastung stark bedroht, schreiben die Forscher im "Journal of Biogeography".

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass gerade die Marathonstrecken einiger Zugvögel in Zukunft noch länger werden dürften. Das sind schlechte Nachrichten für Vögel wie die Dorngrasmücke", sagt Stephen Willis von der Durham University, der Leiter des Forschungsteams. Er und seine Kollegen untersuchten mit drei simulierten Szenarien, wie sich die klimatischen Verhältnisse in den Brutgebieten und Winterquartieren europäischer Grasmücken bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verändern werden. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sich für neun der 17 erfassten Arten der Reiseweg verlängern wird. Die Brutgebiete würden sich weiter nach Norden verschieben, während sich die Lage der Winterquartiere kaum verändert. Besonders betroffen wären Weißbartgrasmücke (Sylvia cantillans), Orpheusgrasmücke (Sylvia hortensis), Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) und Dorngrasmücke (Sylvia communis), die - aus Afrika kommend - bis zu 400 Kilometer weiter fliegen müssten, um geeignete Brutgebiete in Europa zu erreichen. Allgemein verlängert sich für die Zugvögel, deren afrikanisches Winterquartier südlich der Sahara liegt, die Flugstrecke um doppelt so viel wie für die Kurzstreckenzieher.

Ein längerer Flug bedeutet, dass ein größeres Fettpolster als Energiereserve nötig ist, um den Kräfte zehrenden Flug zu bewältigen. Das Körpergewicht der kleinen Singvögel müsste sich dann vor dem Abflug zusätzlich um fünf bis neun Prozent erhöhen, sagt Nathalie Doswald, Mitglied des Forschungsteams. Einige Grasmücken könnten sich auch an die Klimaveränderung anpassen, indem sie neue, kürzere Flugrouten wählen, sagt Willis. Dazu müssten sie neue Brutgebiete oder neue Orte für Zwischenstopps finden, die ein geeignetes Nahrungsangebot zur jeweiligen Zeit des Aufenthalts aufweisen. Für eine Vogelart, die an sehr spezielle Umweltbedingungen angepasst ist, wird eine solche Alternative nicht immer möglich sein. Einige Kurzstreckenzieher dagegen könnten auf die höheren Temperaturen so reagieren, dass sie auf den Flug ins Winterquartier ganz verzichten und einfach dableiben.

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Quelle: "Potential impacts of climatic change on the breeding and non-breeding ranges and migration distance of European Sylvia warblers", Nathalie Doswald et al.; Journal of Biogeography, Online-Publikation, DOI: 10.1111/j.1365-2699.2009.02086.x


 

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