Pro Atom ein Bit

„Bei dieser Datendichte würden theoretisch alle jemals geschriebenen Bücher auf eine einzige Briefmarke passen“, veranschaulicht Sander Otte von der Technischen Universität Delft das Potenzial von atomaren Datenspeichern. Für ihren Prototyp, der trotz extremer Datendichte nur eine Kapazität von einem Kilobyte hatte, nutzten Otte und Kollegen eine extrem glatte und saubere Kupferoberfläche. Unter Vakuum verdampften sie darüber etwas Kupferchlorid, so dass sich nach bereits drei Minuten tausende Chloratome auf der Oberfläche ablagerten. Nach diesem Aufdampfprozess wechselten sich zahlreiche Chloratome mit tausenden noch leeren Plätzen, den Vakanzen, ab.
Exakt diese Kombination aus Chloratomen und Lücken bildete die Grundlage für den extrem dichten Datenspeicher. Denn nun brauchten nur einzelne Chloratome in eine benachbarte Lücke geschubst zu werden, um zwischen den digitalen Basiswerten „0“ und „1“ hin und her zu schalten. Möglich war dies mit der atomfeinen Spitze eines Rastertunnelmikroskops. Mit winzigen elektrischen Strömen in der Mikroskopspitze ließen sich die Chloratome mit einer Zuverlässigkeit von 99 Prozent auf den gewünschten Platz bugsieren. „Diesen Vorgang kann man mit einem Schiebepuzzle vergleichen“, sagt Otte.
Allerdings war dieser Schreibprozess im Vergleich zu konventionellen magnetischen Festplatten noch sehr langsam. Um acht Byte zu schreiben, benötigten die Forscher etwa zwei Minuten. Das Auslesen gelang doppelt so schnell. Um die extrem hohe Datendichte zu demonstrieren, schrieben Otte und Kollegen die ersten Sätze einer berühmten Vorlesung des Physikers und Vordenkers der Nanotechnologie Richard Feynman, auf ein winziges nur 96 auf 126 Nanometer kleines Areal ihres Chlor-Kupfer-Speichers.
Schnellere Schreib- und Leseprozesse von bis zu einem Megabit pro Sekunde hält Otte mit automatisch verfahrbaren Spitzen von Rastertunnelmikroskopen für möglich. Trotzdem ist diese Technologie von einer praktischen Anwendungen noch sehr weit entfernt. Doch im Vergleich zu früheren Ansätzen atomarer Datenspeicher, die sich Daten nur für einige Minuten merken konnten, zeigte sich dieser Prototyp deutlich stabiler. Bei tiefkalten Temperaturen von -196 Grad blieben die Chloratome fast zwei Tage lang auf ihren zugewiesenen Positionen. Sander Otte ist sich vollkommen bewusst, dass sein Speicherkonzept noch sehr lange auf eine praktische Anwendungen warten muss. „Wir wollten auch zeigen, welchen erstaunlichen Grad an Präzision wir Menschen mit unserer Technologie mittlerweile erreichen können. Das ist der wahre Fortschritt und nicht die konkrete Anwendung“, sagt er.