Placebos wirken - auch ohne Täuschungsmanöver
"Diese Ergebnisse legen nahe, dass es mehr ist als positives Denken: Schon das bloße Durchführen eines medizinischen Rituals könnte einen merklichen Nutzen haben", sagt Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School. "Ich bin sehr gespannt, das weiter zu untersuchen. Placebos könnten funktionieren, selbst wenn die Patienten wissen, dass es ein Placebo ist." Kaptchuk und seine Kollegen hatten 80 Patienten mit Reizdarmsyndrom in zwei Gruppen aufgeteilt und über einen Zeitraum von drei Wochen beobachtet: Die Kontrollgruppe erhielt keine Behandlung, während die andere Gruppe Placebos bekam. Diese Patienten wurden dabei allerdings auch eindeutig informiert, dass die Tabletten, die sie zweimal täglich nehmen sollten, nur Scheinmedikamente waren. "Wir stellten nicht nur absolut klar, dass diese Pillen keine aktiven Inhaltsstoffe hatten und aus inaktiven Substanzen bestanden, sondern wir druckten sogar 'Placebo' auf die Flasche", erzählt Kaptchuk. "Wir sagten den Patienten, dass sie nicht einmal an den Placebo-Effekt glauben müssten. Sie sollten einfach nur die Pillen nehmen."
Am Ende der Untersuchung berichteten aus der Placebogruppe deutlich mehr Patienten als aus der Kontrollgruppe, dass sich ihre Beschwerden gebessert hatten: 59 Prozent im Vergleich zu 35 Prozent. Zudem war das Ausmaß der Verbesserung nahezu vergleichbar mit der Wirkung der effektivsten Medikamente gegen Reizdarm. "Ich hatte nicht gedacht, dass das funktionieren würde", sagt Kaptchuks Kollege Anthony Lembo, der Senior-Autor der Studie. "Ich fühlte mich unbehaglich dabei, Patienten zu bitten, sprichwörtlich ein Placebo zu nehmen. Doch zu meiner Überraschung schien es für viele von ihnen zu funktionieren." Die Forscher geben noch zu bedenken, dass es sich bisher nur um eine sehr kleine Studie handelt. Sie macht dennoch darauf aufmerksam, dass Placebos sogar ohne Täuschungsmanöver bei vollständig informierten Patienten eine Wirkung zeigen - eine Hypothese, die in weiteren Untersuchungen bestätigt werden muss.