Parodontitis: Neue Krankheitsursache – neuer Therapieansatz

Bakterielle Infektion verstärkt Ablagerungen von Fibrin auf der Mundschleimhaut, was gewebeschädigende Reaktionen von Immunzellen auslöst
Bei Patienten mit Parodontitis (rechts) bilden sich im Zahnfleisch größere Mengen an Fibrin (rot gefärbt) als bei gesunden Menschen (links).
Bei Patienten mit Parodontitis (rechts) bilden sich im Zahnfleisch größere Mengen an Fibrin (rot gefärbt) als bei gesunden Menschen (links).
© Lakmali Silva, NIDCR
Bethesda (USA) - Parodontitis ist eine durch Bakterien ausgelöste chronische Entzündung des Zahnhalteapparats. Aber die bakterielle Infektion ist nicht die alleinige Ursache für die fortschreitende Schädigung von Zahnfleisch, Zähnen und Kieferknochen, die zum Zahnausfall führt. Wie amerikanische Forscher jetzt berichten, spielen dabei auch Ablagerungen von Fibrin auf der Mundschleimhaut eine wichtige Rolle. Wird dieses Protein nicht schnell wieder beseitigt, lagern sich bestimmte Immunzellen dort an. Dieser Kontakt löst die Freisetzung aggressiver Substanzen aus, die für die großen Gewebeschäden verantwortlich sind, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“. Die Schädigung blieb aus, wenn das Andocken der Immunzellen an das Fibrin verhindert wurde, woraus sich neue Möglichkeiten einer Therapie ergeben.

„Unsere Arbeiten haben gezeigt, dass Fibrin unter bestimmten Bedingungen die schützende Immunfunktion der Neutrophilen in eine schädigende verwandeln kann“, sagt Niki Moutsopoulos vom National Institute of Dental and Craniofacial Research (NIDCR) in Bethesda. Fibrin ist einerseits ein wichtiger Faktor der Blutgerinnung. Es ist aber auch an der Immunabwehr beteiligt, indem es Immunzellen wie die neutrophilen Granulozyten, auch Neutrophile genannt, bei engem Kontakt dazu anregt, Krankheitserreger zu zerstören. Das schädigt auch Körperzellen. Um diesen Kollateralschaden zu begrenzen, wird abgelagertes Fibrin normalerweise durch das Enzym Plasmin schnell wieder beseitigt.

Die Forscher untersuchten zunächst genetisch veränderte Mäuse, die das eiweißspaltende Plasmin nicht mehr bilden konnten. Bei diesen Tieren entstanden starke Ablagerungen von Fibrin auf Zahnfleisch und Mundschleimhaut und es entwickelten sich Zahnfleischentzündungen und andere Symptome einer Parodontitis. Ein ähnliches Krankheitsbild ist auch bei Menschen bekannt, deren Fibrinabbau aufgrund von Mutationen gestört ist. Das abgelagerte Fibrin aktivierte bei den Mäusen das Immunsystem: Es lagerten sich in großer Zahl Immunzellen aus der Gruppe der Neutrophilen an die Fibrinmoleküle an. Das löste Reaktionen der Immunabwehr in diesen Zellen aus, wie zum Beispiel die Freisetzung reaktiver Sauerstoffverbindungen, die normalerweise als kurzzeitig eingesetzte Waffe gegen eingedrungene Erreger dienen. Wegen des fehlenden Fibrinabbaus hielten die Entzündungsreaktionen zu lange an, so dass größere Schäden von Zahnfleisch und Knochengewebe entstanden.

Bei Mäusen, die kein Plasmin und ein Fibrin mit veränderter Molekülstruktur bildeten, lagerte sich zwar Fibrin ab und es sammelten sich Neutrophile an. Doch eine Bindung des Fibrins an den Rezeptor der Immunzellen war nicht mehr möglich. Daher blieben Gewebsschädigungen und die Entwicklung einer Parodontitis aus. Auch bei normalen Mäusen, die altersbedingt Anzeichen einer Parodontitis entwickelt hatten, ließ sich durch Blockade des Kontaktes zwischen Fibrin und Neutrophilen die Zerstörung von Knochengewebe verhindern. Daraus ergebe sich nach Ansicht der Forscher eine vielversprechende Möglichkeit der Vorbeugung oder Therapie von Parodontitis. Nach Untersuchungen anderer Forscher könnten verstärkte Fibrinablagerungen in anderen Körperregionen auch zu chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis und Multiple Sklerose beitragen.

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