Oben oder unten? Hierarchien beeinflussen die Gesundheit

Bethesda (USA)/Mannheim - Erstmals haben Forscher die Wahrnehmung sozialer Hierarchien im Gehirn nachgewiesen. Wenn ein Mensch in einer Hierarchie auf- oder absteigt, werden im Gehirn bestimmte Schaltkreise aktiviert, legt ein amerikanisch-deutsches Wissenschaftler-Team jetzt in der Fachzeitschrift "Neuron" dar. Diese gesteigerte Gehirnaktivität kann die körperliche und seelische Gesundheit beeinflussen.

Die Wahrnehmung von Hierarchien machte das Forscher-Team um Andreas Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit durch ein Experiment mit 72 Teilnehmern sichtbar, das vom National Institute of Mental Health in Bethesda organisiert wurde. Die Versuchspersonen sollten ein Computerspiel um Geld spielen, wobei jedem ein Status in einer Hierarchie zugeschrieben wurde. Dieser Status, so sagten die Versuchsleiter den Teilnehmern, leite sich aus der jeweiligen Spielstärke der Teilnehmer ab. In Wirklichkeit war der hierarchische Status jedes Versuchsteilnehmers jedoch willkürlich vorher festgesetzt worden. Was die Versuchspersonen ebenfalls nicht wussten: Sie spielten jeder nicht gegen reale Personen, sondern nur gegen virtuelle Figuren. Während des Spiels wurden den Spielern die Punktzahlen anderer - besserer oder schlechterer - Spieler angezeigt. Die Versuchspersonen bekamen gleichzeitig die Anweisung, die Punktestände dieser anderen Spieler - die ebenfalls fiktiv waren - nicht zu beachten. Die Versuchsleiter rechneten jedoch damit, dass die Spieler sich dennoch mit den angeblichen anderen Spielern maßen. In dieser Situation beobachteten die Forscher die Gehirnaktivität der Versuchspersonen.

Es zeigte sich, dass die Gehirnaktivität der Probanden stark davon beeinflusst wurde, wo sie sich selbst in der Punktestand-Hierarchie wiederfanden. Sah eine Versuchsperson etwa einen vermeintlich stärkeren Spieler, stieg ihre Gehirnaktivität im vorderen Gehirnbereich an, nämlich dort, wo der soziale Status ermittelt wird und das betreffende Individuum höher bewertet wird. Musste ein Proband hingegen bei einem Blick auf den Punktestand der Anderen feststellen, dass er schlechter war als der schlechteste andere Spieler, dann waren besonders jene Gehirnregionen aktiv, die mit Frustration und Schmerz verbunden sind.

"Solch eine Aktivierung von emotionalem Schmerz in den Schaltkreisen des Gehirns könnte einem erhöhten Gesundheitsrisiko zwischen in Wettbewerb stehenden Individuen zugrundeliegen", erklärt Andreas Meyer-Lindenberg. Diese Ergebnisse passen auch mit früheren Studien zusammen. So hatten Versuche mit Ratten bereits gezeigt, dass Ratten, die Hierarchie-Probleme hatten, öfter unter Gefäßkrankheiten litten und angstähnliche Symptome zeigten. Auch in Sozialstudien konnte belegt werden, dass Menschen am unteren Ende von Hierarchien häufiger Gefäßkrankheiten hatten und auch früher starben als Menschen am oberen Ende von Hierarchien. Bisher ist jedoch ungeklärt, wie das Gehirn seine Aktivitäten bei der Wahrnehmung von Hierarchien in Gesundheitsrisiken übersetzt.

National Institute of Mental Health
Quelle: Andreas Meyer-Lindenberg, Caroline Zink et al., Neuron, 24.04.08, im Druck


 

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