Neue Theorie zur Bildung des Himalaya-Massivs

„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass die Ränder der beiden tektonischen Platten schon vor der Kollision im Mittel etwa dreieinhalb Kilometer hoch waren“, sagt Page Chamberlain von der Stanford University. Diese überraschende Erkenntnis gewann sein Team gemeinsam mit Forschenden der China University of Geosciences in Peking. Dazu analysierten sie Gesteinsproben aus Quarzadern aus einer Region im südlichen Tibet und bestimmten dabei in aufwendigen Messungen die Verteilung der drei stabilen Sauerstoffisotope O-16, O-17 und O-18.
Diese unterschiedlich schweren Sauerstoffisotope eignen sich sehr gut, um Gebirgshöhen längst vergangener Zeiten der Erdgeschichte zu bestimmen. Denn an ansteigenden Gebirgsflanken steigen Luftmassen in die Höhe, mit abnehmender Temperatur kondensiert Feuchtigkeit in den Wolken und es kommt verstärkt zu Niederschlägen. Schwerere Sauerstoffisotope fallen dabei schon in geringeren Höhen zu Boden und nur leichtere gelangen bis in die Gipfelregionen. Daraus folgt eine charakteristische Verteilung der Sauerstoffisotope in den Sedimentengesteinen, aus denen auf die Gebirgshöhen früherer Zeiten geschlossen werden kann. Besonders die Analyse des extrem seltenen O-17-Isotops zeigte den Forschenden, dass die indischen und eurasischen Kontinentalränder bereits vor der Kollision mehrere Kilometer hoch waren.
Diese Studie aus dem noch jungen Forschungsfeld der Paläoaltometrie – der Höhenmessung vergangener Erdzeitalter – zeichnet nicht nur ein neues Bild vom Entstehungsprozess des Himalayas. Denn Gebirgszüge beeinflussten damals wie heute auch stark das Klima in den umgebenden Regionen. So führt ein Steigungsregen vor den Erhebungen zu feuchten Gebieten mit starker Vegetation. Hinter den Gebirgen herrscht dagegen eher Trockenheit. „Damit könnten bisherige Theorien zum Klima und zu Biodiversität der Vergangenheit neu bewertet werden“, sagt Chamberlain. Modelle des Paläoklimas in der Himalaya-Region müssten nun rekalibriert werden. Der Geowissenschaftler hält es für möglich, dass ähnliche Studien auch zu einer Verfeinerung der Klimamodelle an anderen Gebirgszügen wie den Anden in Südamerika führen könnten.