Mutation macht manche Männer unfruchtbar
"In 70 Prozent der Fälle lässt sich die Unfruchtbarkeit bei Männern nicht durch eine zu geringe Zahl von Spermien, zu schwache Beweglichkeit oder unnormale Zellform erklären", sagt Gary Cherr von der University of California in Davis. Auch der von seiner Forschergruppe entdeckte genetische Schaden von Spermien war nicht durch die üblichen mikroskopischen Untersuchungsmethoden erkennbar. Durch Erbgutanalysen hatten die Forscher jedoch herausgefunden, dass bei fast der Hälfte der untersuchten Männer mindestens eines der beiden DEFB126-Gene defekt war. Bei etwa 20 Prozent der Probanden waren sogar beide Gene - das väterliche und das mütterliche - von der Mutation betroffen, so dass kein normales oder gar kein Beta-Defensin 126 gebildet werden konnte. Durch eine Färbetechnik konnten die Forscher direkt zeigen, dass die Spermienhülle dieser Männer zu wenig Defensin enthielt.
Andere Typen von Defensinen dienen der Abwehr von Mikroben, die versuchen, über die Haut oder die Schleimhäute in den Körper einzudringen. DEFB126 dagegen wird im Nebenhoden produziert und in die Hülle der reifenden Spermien eingebaut. Aus Versuchen mit Affenspermien ist bekannt, dass dieses Defensin den männlichen Keimzellen hilft, sich durch den Schleim des Gebärmutterhalses zu bewegen, der weiblichen Immunabwehr zu entgehen und sich an der Wand des Eileiters anzuheften. In Laborversuchen stellten die Forscher fest: Bei Spermien, denen aufgrund der Mutation das Defensin fehlte, verlangsamte sich die Fortbewegung durch ein Gel, das den natürlichen Schleim simulierte, um 84 Prozent. Allein das würde die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung schon stark verringern. Ob solche Spermien auch eher Opfer der Immunabwehr werden, ist noch nicht geklärt.
Eine Studie am Menschen sollte daraufhin prüfen, ob der Gendefekt tatsächlich die Fruchtbarkeit von Männern verringert. Dazu analysierten die Wissenschaftler die DEFB126-Gene von 500 frisch verheirateten chinesischen Männern, die sich Kinder wünschten. Innerhalb von zwei Jahren war die Wahrscheinlichkeit der Probanden ohne intaktes Gen, Vater zu werden, um 30 Prozent geringer als bei den anderen. Dieses Ergebnis muss nun durch größere, längere Studien überprüft werden. Die Genmutation ließ sich bei Männern aus Europa, Asien und Afrika mit ähnlich hoher Häufigkeit nachweisen. Als Erklärung für die weite Verbreitung einer solchen nachteiligen Mutation vermuten die Forscher, dass Männer mit einer intakten und einer defekten Version des Gens vielleicht einen noch unbekannten Vorteil haben könnten.
10 bis 15 Prozent der Paare leiden unter Kinderlosigkeit. In 17 Prozent der Fälle bleibt der Grund für die Unfruchtbarkeit unbekannt. Bestätigen sich die neuen Forschungsergebnisse, könnte Männern nach einem Gentest geraten werden, eine künstliche Befruchtung zu erwägen.