Mütterliche Investitionen ins Hirnvolumen
"Wir wussten bereits, dass Arten mit großem Gehirn sich langsam entwickeln, länger reifen und längere Lebensspannen haben", erläutert Robert Barton von der Durham University. "Was aber nicht immer klar war, ist, warum Gehirne und Lebensablauf zusammenhängen." Eine Theorie sei, dass ein großes Hirn die Lebensspanne verlängert, weil es das Tier - auch in unvorhersehbaren Situationen - anpassungsfähiger macht, was wiederum einen verlangsamten Ablauf des Lebens erlaubt. "Doch unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Abbremsen des Lebensablaufes eher direkt mit den Kosten als mit dem Nutzen zusammenhängt, ein großes Hirn zu entwickeln", sagt Barton. "Die notwendigen Vorzüge, um die Kosten wettzumachen, könnten eher auf anderem Wege kommen, etwa durch eine Verbesserung spezieller Wahrnehmungs- und Kognitions-Fähigkeiten, als durch eine generelle Flexibilität."
Gemeinsam mit seiner Kollegin Isabella Capellini hatte Barton statistische Belege von Hirn- und Körpergröße, mütterliche Investition und Lebensabläufe von 128 Säugetierarten analysiert, darunter auch größere Spezies wie Gorilla, Elefant und Wal. Die Anthropologen stellten fest: Am engsten war die Hirngröße im Verhältnis zur Körpergröße mit mütterlichen Investitionen verbunden - die Länge der Zeit, die eine Mutter ihren Nachwuchs während der Schwangerschaft trägt und in der sie stillt. Dies erklärt beispielsweise, warum etwa der Mensch mit neun Monaten Schwangerschaft und einer Stillzeit von bis zu drei Jahren eine extrem lange Phase der Abhängigkeit hat - dies ist notwendig, um das Wachstum des verhältnismäßig sehr großen Hirns zu ermöglichen. "Unsere Ergebnisse helfen uns verstehen, welche Auswirkungen evolutionäre Veränderungen in verschiedenen Stadien, vor und nach der Geburt, haben", so Barton. "Nun brauchen wir weitere Forschung, um genau festzustellen, wie Veränderungen in den prä- und postnatalen Wachstumsphasen die Struktur des Hirn beeinflussen."