Migräne-Gen entdeckt - Hinweis auf neuen Therapieansatz
"Diese genetische Variante erklärt nur einen kleinen Teil des genetischen Spektrums der Migräne und zukünftige Studien werden wahrscheinlich weitere Genorte identifizieren", erklären die Mitglieder des International Headache Genetics Consortium unter Leitung von Aarno Palotie vom Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge. Das jetzt entdeckte genetische Merkmal erhöht das Migränerisiko um 23 Prozent. Es beeinflusst indirekt die Aktivität des Gens EAAT2, das die Produktion eines Glutamattransportproteins steuert. Glutamat dient als Neurotransmitter der chemischen Signalübertragung zwischen Gehirnzellen und muss nach der Freisetzung in den Synapsen wieder beseitigt werden. Wird dazu nicht genügend Transportprotein gebildet, steigt der Glutamatspiegel an. "Obwohl wir die wichtige Rolle des EAAT2-Gens bei neurologischen Prozessen kannten, gab es bisher keinen genetischen Hinweis darauf, dass eine Glutamatansammlung im Gehirn an der Entstehung der Migräne beteiligt sein könnte", sagt Christian Kubisch von der Universität Ulm, einer der mehr als 60 an der Studie beteiligten Forscher.
In einer ersten Phase des Projekts verglichen die Wissenschaftler DNA-Sequenzen des gesamten Genoms von 2700 Migränepatienten aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden mit denen von 10.700 Kontrollpersonen. In einer zweiten Phase überprüften sie die Ergebnisse an weiteren 3200 Patienten und 40.000 Gesunden. So gelang es, eine DNA-Region auf Chromosom 8 zu identifizieren, die mit einem erhöhten Migränerisiko verbunden war. Die Sequenzvariante lag zwischen zwei Genen, die an der Regulation des Glutamatspiegels beteiligt sind. Eines davon hemmt die Produktion eines Glutamattransporters. Wenn sich der dadurch bewirkte Anstieg des Glutamatspiegels als eine Ursache der Migräne bestätigen sollte, könnten sich Medikamente, die das verhindern, als wirksame Mittel gegen diese Krankheit erweisen.
Während an dieser Studie nur stark betroffene Migränepatienten aus Spezialkliniken teilnahmen, sollten zukünftige Studien auch Patienten mit schwächeren Krankheitsformen einschließen, sagt Teammitglied Gisela Terwindt vom Medizinischen Zentrum der Universität Leiden. Dann würde man wahrscheinlich weitere genetische Merkmale finden, die sich möglicherweise unterschiedlichen Formen der Migräne zuordnen ließen. Der jetzt entdeckte genetische Zusammenhang war besonders stark ausgeprägt für Migräne, die mit einer Aura, einer visuellen Störung, verbunden ist. In Europa leiden acht Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen unter Migräneanfällen, die im Abstand von Wochen, Monaten oder Jahren auftreten und einige Stunden oder Tage andauern können.