Menschliche Mini-Leber aus Stammzellen lebt und arbeitet in Mäusen
„Soweit wir wissen, ist dies das erste Mal, dass von der Erzeugung eines funktionsfähigen, menschlichen Organs aus pluripotenten Stammzellen berichtet wird“, schreiben Takanori Takebe von der Yokohama City University Graduate School of Medicine und Kollegen. Obwohl noch einige Anstrengungen folgen müssten, um diese Techniken für die Behandlung von Patienten umzusetzen, liefere der Beleg für die prinzipielle Machbarkeit einen vielversprechenden Ansatz für die regenerative Medizin. Die Forscher nehmen an, dass sich die Technik auch für andere Organe eignet – Bauchspeicheldrüse, Nieren und sogar Lunge. Auch Tobias Cantz von der Medizinischen Hochschule Hannover und vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin hält die Arbeit durchaus für einen bemerkenswerten Fortschritt: „Ziel ist es, eine Mini-Leber zu züchten, die nicht nur aus Leberzellen besteht, sondern auch die für das vollständige Organ notwendige Bindegewebs- und Gefäßstruktur besitzt“, erläutert der Leber- und Stammzellforscher. „Bisher hat man gedacht, das kann außerhalb eines Embryos gar nicht funktionieren. Dass dies nun gelungen ist, ist ein Meilenstein, den die japanischen Forscher zu Recht für sich beanspruchen.“
Für ihre Arbeit hatten Takebe und Kollegen menschliche iPS-Zellen verwendet, um die frühesten Stadien der Leberentwicklung zu rekonstruieren. Sie konnten diese Zellen dazu bringen, ähnlich miteinander zu interagieren wie in der Embryonalentwicklung, und sich so selbständig zu einem Zellverband mit dreidimensionaler Struktur zu organisieren – einer rudimentären Leber. Diese Leber-Knospe entwickelte sich – nach der Verpflanzung in eine Maus – zu einem funktionsfähigen Organ weiter. Bereits 48 Stunden nach der Transplantation, schreiben die Mediziner, verband sich die Knospe mit dem Gefäßsystem der Maus. Diese Blutgefäßbildung war ein essenzieller Schritt dafür, dass das Transplantat erfolgreich einwachsen und seine Organfunktion aufnehmen konnte. Die Forscher konnten auch zeigen, dass die implantierte neue Leber tatsächlich Stoffwechselfunktionen übernahm.
Bis eine Anwendung am Patienten in greifbare Nähe rückt, werden sicherlich mindestens fünf Jahre vergehen, womöglich sogar zehn bis fünfzehn, schätzt Cantz. Er sieht grundsätzlich drei Problemkomplexe, die es bis dahin noch zu bewältigen gilt: „Man braucht genügend viele Zellen, also größere oder mehrere Leber-Knospen, die trotzdem die gleichen Eigenschaften haben“, erklärt der Mediziner. „Es geht um die schiere Masse – etwa um einen Faktor Tausend, den die menschliche Leber mehr wiegt als eine Mäuseleber.“ Außerdem müsse gewährleistet sein, dass die Verwendung von iPS-Zellen sicher für den Patienten ist und keine unerwünschten Nebenwirkungen mit sich bringt. Darüber hinaus müsse in realistischeren Modellen nach einem günstigen Ort gesucht werden, an dem die Mini-Lebern eingepflanzt werden könnten.
Selbst wenn die Methode in Zukunft tatsächlich praktischen Einsatz in der Klinik findet – vollständig ersetzen könnte sie die klassische Organspende kaum. Voraussetzung sei, so Cantz, dass die eigene Leber nicht vollständig entfernt, sondern lediglich die Stoffwechselfunktion repariert werden müsste. Bei vielen Grunderkrankungen mit Krebsrisiko dagegen sei das nur die zweitbeste Möglichkeit. „Für weniger als die Hälfte der Patienten würde das prinzipiell in Frage kommen.“ Immerhin wäre dies ein wenig Entlastung, denn laut der Deutschen Stiftung für Organtransplantation warten hierzulande knapp 12.000 schwerkranke Menschen auf ein Spenderorgan und sind somit auf die Bereitschaft zur Organspende angewiesen.