Mehr Wolken durch Ammoniak
„Die jüngsten Messungen geben uns neue Einblicke, wie in der Atmosphäre Kondensationskeime und Tröpfchen aus Gasmolekülen entstehen“, sagt Hamish Gordon vom Forschungszentrum CERN. Dort steht die Wolkenkammer „CLOUD“, in der sich die Bedingungen in der Atmosphäre nachstellen und der gesamte Prozess der Wolkenbildung analysieren lässt. Mit seinen Kollegen fokussiert sich Gordon auf den Einfluss von Gasmolekülen, die bevorzugt aus Industrie- und Autoabgasen in die Atmosphäre freigesetzt werden. So wollen sie den menschlichen Einfluss auf die Wolkenbildung und damit auf das Erdklima besser verstehen.
Ganz am Anfang der Wolkenbildung steht meist die Kollision von zwei bis drei Gasmolekülen, die sich jeweils zu einem Molekülcluster zusammenballen. Aus diesen Clustern bilden sich Aerosolpartikel, an denen Wasser kondensiert, um schließlich zu Tröpfchen mit einem Durchmesser von etwa zwanzig Mikrometer anzuwachsen. Die jüngsten Experimente zeigten nun, dass nicht nur Schwefelsäure, sondern auch Ammoniak und größere organische Moleküle die Aerosolbildung wesentlich verstärken. So vergrößerten Ammoniakmoleküle bei minus 50 Grad Celsius – eine für höhere Atmosphärenschichten nicht ungewöhnliche Temperatur – die Bildungsrate von Aerosol um das Tausendfache. Auch organische Verbindungen hatten einen verstärkenden Effekt. Da sich der Anteil an Ammoniak in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung mit einer Zunahme um 80 Prozent fast verdoppelt hat, haben menschliche Aktivitäten einen offenbar signifikanten Einfluss auf die Wolkenbildung.
In einem weiteren Versuch simulierten Gordon und Kollegen auch den Einfluss kosmischer Strahlung, die zu einer Ionisierung der Gasmoleküle führt. Auf die künstliche Atmosphäre in der Wolkenkammer lenkten die Forscher einen Strahl positiv geladener Teilchen, sogenannter Pionen. Das Ergebnis: Etwa ein Drittel der Aerosole entsteht unter dem Einfluss dieser ionisierenden Strahlung. Allerdings führten Variationen in der Strahlungsintensität – wie sie etwa bei Sonnenstürmen auftreten – zu keinen signifikanten Veränderungen in der Aerosolbildungsrate.
Dank der quantitativen Messungen mit der CLOUD-Wolkenkammer verstehen die Atmosphärenforscher die Bildung von Wolken wieder ein bisschen besser. Damit fügen sie ein neues Stück zu dem schwierigen Puzzle der Wolkenbildung hinzu. Auf diese Ergebnisse können nun Klimaforscher zurückgreifen, um den Einfluss der Wolken auf das Erdklima – sei es über Niederschläge oder über die Abschirmung von Sonnenlicht – in ihren Modellen besser zu berücksichtigen.