Kurzzeitgedächtnis wird aktiv gelöscht
"Wir verstehen eigentlich noch immer nicht, was als Erinnerung aufgebaut oder gelöscht wird. Die Erforschung des Vergessens könnte die bessere Methode sein, um die materielle Grundlage des Gedächtnisses zu entschlüsseln", sagt Yi Zhong von der Tsinghua University in Beijing. "Wir haben herausgefunden, dass das Vergessen ein aktiver Prozess ist, der Erinnerungen löscht", so Zhong. Sein Forschungsteam führte Experimente mit Taufliegen der Gattung Drosophila durch. Die Insekten lernten zunächst, einen von zwei Gerüchen zu meiden, indem sie bei Wahrnehmung des einen Duftstoffs stets einen Elektroschock erhielten. Nach dieser Konditionierung wurde ein Teil der Fliegen sich selbst überlassen, wobei das Gelernte nach einigen Stunden wieder vergessen war. Ein anderer Teil erlernte, den anderen der beiden Düfte zu meiden. Eine dritte Gruppe wurde stattdessen trainiert, zwischen zwei ganz neuen Geruchsstoffen zu unterscheiden.
In allen drei Fällen war das Vergessen des kurz zuvor Gelernten gekoppelt mit einer Aktivierung des Rac-Proteins in speziellen Nervenzellen. Bei genetisch veränderten Fliegen mit blockierter Rac-Aktivität verlangsamte sich das Vergessen und zog sich über mehr als einen Tag hin. Umgekehrt verloren Fliegen mit künstlich verstärkter Rac-Aktivität ihre Erinnerung schneller als normale Tiere. Auf den Aufbau neuer Erinnerungen hatte Rac keinen Einfluss. Die Forscher vermuten, dass Rac die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen verändern und dadurch Gedächtnisinhalte löschen könnte. Ob ähnliche Mechanismen auch bei anderen Lebewesen das Löschen von Erinnerungen im Kurzzeitgedächtnis bewirken, müssen weitere Untersuchungen zeigen.