Krebsforschung: "Friss mich" oder "Friss mich nicht"

Krebszellen präsentieren den Fresszellen des Immunsystems sowohl Angriffs- als auch Abwehrsignale
An Merkmalen der Zelloberfläche erkennen patrouillierende Immunzellen, die so genannten Makrophagen oder Fresszellen, ob eine Körperzelle eliminiert werden muss. Auch Krebszellen besitzen ein solches "Friss-mich"-Signal in Form des Proteins Calreticulin, berichten amerikanische Forscher. Um trotzdem zu überleben, bilden die Zellen verstärkt ein anderes Oberflächenprotein, das die Fresszellen abwehrt. Wird dieses schützende CD47-Protein durch einen Antikörper blockiert, können die Immunzellen die Krebszellen eliminieren. Eine solche Antikörpertherapie greift gesunde Zellen nicht an, da diese zwar CD47-Signale, aber kein Calreticulin produzieren, erklären die Wissenschaftler im Fachjournal "Science Translational Medicine".

"Wir haben das Protein Calreticulin, das von gesunden Zellen kaum gebildet wird, als das wichtigste "Friss-mich"-Signal auf der Oberfläche verschiedener menschlicher Krebszellen identifiziert", schreiben Mark Chao von der Stanford University und seine Kollegen. Aus früheren Arbeiten wussten die Forscher bereits, dass sich unterschiedliche Arten menschlicher Krebszellen - darunter Leukämie- und Lymphomzellen sowie Blasen-, Hirn- und Eierstockkrebszellen - vor einem Angriff der Fresszellen schützen, indem sie verstärkt das Protein CD47 produzieren. In Versuchen mit Mäusen, denen menschliche Leukämiezellen übertragen worden waren, führte die Behandlung mit einem gegen CD47 gerichteten Antikörper zur Zerstörung der Krebszellen. "Die neuen Ergebnisse zeigen, dass diese Therapie nur deshalb wirkt, weil die Krebszellen auch das Calreticulin-"Friss-mich"-Signal präsentieren", sagt Irving Weissman vom Stanford Institute for Stem Cell Biology and Regenerative Medicine, einer der leitenden Wissenschaftler des Teams. Normale Körperzellen bilden zwar auch geringe Mengen an CD47. Sie werden aber nach der Antikörperbehandlung von den Makrophagen nicht angegriffen, weil ihnen das Calreticulin-Signal fehlt.

Je aggressiver die untersuchten Krebszellen waren, desto stärker war ihre Calreticulin-Produktion. Daher könnte eine Therapie mit Anti-CD47-Antikörpern bei den schlimmsten Krebsformen besonders wirksam sein. Noch ist nicht vollständig aufgeklärt, wie die Krebszellen die Calreticulin-Produktion steuern, wie das Protein an die Zelloberfläche gelangt und ob es der Krebszelle auch Vorteile bringt. Die Beantwortung dieser Fragen soll dazu beitragen, eine Immuntherapie mit Anti-CD47-Antikörpern zu optimieren, so dass klinische Studien beginnen können. Die beiden Oberflächenproteine CD47 und Calreticulin sind nicht nur für Krebszellen von Bedeutung. Sie regulieren auch bei anderen Zellschädigungen den Ablauf des programmierten Zelltods, der Apoptose. Die Zellen bilden dann weniger CD47 und mehr Calreticulin und ermöglichen damit ihre Eliminierung durch Fresszellen.

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Quelle: "Calreticulin is the Dominant Pro-Phagocytic Signal on Multiple Human Cancers and is Counterbalanced by CD47", Mark P. Chao et al.; Science Translational Medicine, Vol. 2 (63), 63ra94, www.ScienceTranslationalMedicine.org


 

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