Kanarienvögel: Schlechtes Gesangsvorbild besser als keines
"Anscheinend besitzen die Vögel eine angeborene Schablone für den arteigenen Gesang, die allerdings durch das Hören von Gesang aktiviert werden muss", erläutert Cornelia Voigt, Co-Autorin der Studie. Dabei ist wohl egal, wie gut das Vorbild ist, schließen Voigt, Stefan Leitner, beide vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen, und deren Kollegen aus ihren Beobachtungen. Die Forscher hatten schlechte Sänger aufgezogen, indem sie Küken ohne Kontakt zu erwachsenen Männchen, wohl aber zu Altersgenossen und erwachsenen Weibchen aufwachsen ließen. Den Nachwuchs dieser weniger begnadeten Sänger wiederum ließen sie in der ersten Zeit ganz normal mit den Vätern aufwachsen, so dass sie als Vorbild deren schlechteren Gesang zu hören bekamen. Schließlich analysierten sie den Gesang der Nachkommen und verglichen ihn mit dem gewöhnlicher Artgenossen.
Die Jungvögel übernehmen nicht einfach den schlechten Stil der Väter, beobachteten die Biologen. Sie entwickeln vielmehr eine Variante, die eher dem Trällern ganz normal aufgewachsener Kanarienvögel ähnelt. Und auch wenn die Forscher den Nachwuchs schlechter Sänger dann im zweiten Lebensjahr mit ganz gewöhnlich singenden Artgenossen zusammen brachten, blieben sie bei ihrer Variante. Sie sagen lediglich ein wenig schneller. "Dieses Ergebnis ist besonders interessant, da es zeigt, dass die Jungvögel durch das Hören der Vorsänger ihre Gesangsentwicklung am Ende des ersten Lebensjahrs abgeschlossen haben und einen eigenen feststehenden Gesang besitzen. Dabei spielt die Gesangsqualität des Vorsängers offenbar nur eine untergeordnete Rolle", sagt Stefan Leitner. "Vögel, die in ihrer Jugend keine Artgenossen hören, zögern den Abschluss ihrer Gesangsentwicklung über das erste Lebensjahr hinweg hinaus und nehmen dann noch Korrekturen vor, wenn sie ein geeignetes Modell hören."
"Song learning in domesticated canaries in a restricted acoustic environment", Belzner, S., Voigt, C., Catchpole, C.K., Leitner, S.; Proceedings of the Royal Society of London, Series B (27. Mai 2009)