Joint gegen Trauma?

Cannabinode wirken zusätzlichem Stress entgegen und erleichtern damit die Bewältigung eines traumatischen Erlebnisses
Blühelnde Hanfpflanze - bestimmte Hanfsorten enthalten hohe Mengen an Cannabinoiden
Blühelnde Hanfpflanze - bestimmte Hanfsorten enthalten hohe Mengen an Cannabinoiden
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Haifa (Israel) - Cannabinoide können möglicherweise bei der Überwindung eines Traumas helfen. Die in Marihuana enthaltenen Stoffe haben zwar keinen direkten Einfluss auf die Bewältigung des einschneidenden Erlebnisses, sie reduzieren aber zusätzlichen Stress, der die Erholung von einem Trauma häufig erschwert. Cannabinoide könnten damit auch Einsatz bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörung finden. Hinweise auf diese potenzielle Heilwirkung von Marihuana haben israelische Psychologen in umfangreichen Versuchen mit Ratten gefunden, wie sie im "Journal of Neuroscience" berichten.

"Die Ergebnisse unserer Forschung sollte die psychiatrische Untersuchung des Einsatzes von Cannabinoiden bei Patienten mit posttraumatischem Stress anregen", sagt Irit Akirav von der Universität Haifa. Gemeinsam mit ihrem Studenten Eti Ganon-Elazar hatte sie die Wirkung einer synthetischen Substanz, welche vergleichbare Eigenschaften wie Marihuana besitzt, auf die Verarbeitung eines traumatischen Erlebnisses in einem Rattenmodell getestet. In einer ersten Testreihe prüften die Forscher, wie lange die Nager benötigten, um sich ganz von alleine von einem traumatischen Ereignis zu erholen. Dieses bestand darin, dass sie in die weiße Hälfte einer Box mit einer weißen und schwarzen Seite gesetzt wurden und einen leichten Stromschlag erhielten, sobald sie sich in die für sie angenehmere schwarze Hälfte bewegten. Freiwillig setzten die so traumatisierten Tiere zunächst keine Pfote mehr in die schwarze Seite, erst nach und nach nur sehr vorsichtig. Doch einige Tage, nachdem sie dort keine weiteren Elektroschocks bekommen hatten, lernten sie, dass die Gefahr vorüber war und liefen dann auch wieder ohne zu zögern hinüber - sie hatten ihr Trauma überwunden.

In einer zweiten Versuchsreihe brachten die Psychologen bei einer zweiten Gruppe von Ratten ein Stresselement in den Versuch mit ein: Sie setzten Nager nach dem Stromschlag auf eine erhöhte Plattform, was zusätzlich zu der traumatischen Erfahrung Stress erzeugte. Tiere aus dieser Gruppe benötigten deutlich länger, um sich von dem Trauma zu erholen und die schwarze Hälfte der Box wieder ungehemmt betreten zu können. Der Stress beeinträchtigte demnach eindeutig die Bewältigung des Negativerlebnisses. In einer dritten Testreihe mit einer weiteren Rattengruppe verabreichten die Forscher den Tieren das synthetische Cannabinoid, bevor sie sie auf die Plattform setzten. Sie injizierten den Stoff direkt in die Amygdala, eine Hirnregion, die an der Verarbeitung emotionaler Erinnerungen beteiligt ist. Die so behandelten Ratten überwanden das Trauma innerhalb der gleichen Zeit wie die ungestressten Ratten.

Das legt den Schluss nahe, dass Cannabinoide die Stresssymptome aufheben. Das funktionierte nicht nur unmittelbar nach dem Trauma, stellten die Psychologen in weiteren Versuchen fest, bei denen sie die Injektion zu unterschiedlichen Zeitpunkten gaben. Unabhängig davon, wann die Nager den Wirkstoff erhielten, verhinderte er das Aufkommen von Stresssymptomen. Insgesamt deuten die Ergebnisse an, dass Cannabinoide ein weit reichendes therapeutisches Potenzial für die Behandlung von Patienten haben könnte, die unter traumatischen Erinnerungen und Stressstörungen leiden, schreiben die Psychologen.

Nach einem traumatischen Erlebnis wie etwa einem schweren Autounfall, einem Überfall oder einem Attentat erleben die meisten Betroffenen gesundheitliche und psychologische Symptome, die unterschiedliche Funktionen beeinträchtigen können, aber meist wieder verschwinden. Bei zehn bis dreißig Prozent der Fälle entwickelt sich jedoch eine so genannte posttraumatische Belastungsstörung, bei der die Patienten monate- oder jahrelang unter enormen Stress-Symptomen und psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen leiden. So vermeiden sie etwa alles, was sie an das Erlebte erinnern könnte, erleben es mitunter aber auch immer wieder aufs Neue. Diese Belastungsstörungen zu behandeln ist vor allem deshalb nicht einfach, weil die Patienten häufig zusätzlichem Stress ausgesetzt sind, der es ihnen besonders schwer macht, das Trauma zu überwinden.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Cannabinoid Receptor Activation in the Basolateral Amygdala Blocks the Effects of Stress on the Conditioning and Extinction of Inhibitory Avoidance", Eti Ganon-Elazar, Irit Akirav; The Journal of Neuroscience (Vol. 29(36), S.11078; doi:10.1523/JNEUROSCI.1223-09.2009)


 

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