Jede Tumorzelle kann zur Krebs-Stammzelle werden
Nach der Krebsstammzell-Hypothese beginnen Krebserkrankungen damit, dass aus normalen Stammzellen - möglicherweise auch aus anderen Körperzellen - Krebsstammzellen entstehen. Diese vermehren sich einerseits durch Selbsterneuerung und bilden andererseits sämtliche Zellen eines Tumors. Solche Einbahnstraßen der Zellentwicklung existieren aber wahrscheinlich nicht, erklären die Wissenschaftler des Broad Institute in Cambridge. "Das ist ganz und gar keine hierarchische Gesellschaft. Vielmehr können die Tumorzellen ihren Zelltyp wechseln", sagt Eric Lander, der Leiter des Teams.
Die Forscher trennten Laborkulturen menschlicher Brustkrebszellen in drei unterschiedliche Zelltypen auf. Einer davon verhielt sich wie Stammzellen. Dann ließen sie Reinkulturen von jedem Zelltyp sechs Tage lang in getrennten Kulturschalen wachsen. Am Ende war in jeder Kultur wieder eine Mischung aller ursprünglichen Typen von Krebszellen entstanden, die in einem ähnlichen Mengenverhältnis vorlagen wie in der Ausgangskultur. Ein stabiles Gleichgewicht zwischen der Anzahl der unterschiedlichen Zelltypen lässt sich auch in den Tumoren selbst nachweisen.
Wie eine Kultur einheitlicher Zellen wieder eine ausbalancierte Mischung diverser Zelltypen erzeugt, konnten die Forscher durch ein mathematisches Modell beschreiben und vorhersagen. Dieses Modell beruht auf der Annahme, dass sich jeder einzelne Zelltyp unabhängig von anderen Zellen umwandeln kann. Auch Krebsstammzellen entstehen offenbar auf diese Weise - also nicht nur durch Selbsterneuerung. Tumoranalysen von Krebspatienten sollen nun die Ergebnisse der Laborversuche bestätigen. Die Forschungsarbeit könnte dazu beitragen, effektivere Formen von Chemotherapien zu entwickeln, da ein einzelnes Krebsmittel nicht alle Zelltypen eines Tumors gleichermaßen effektiv abtötet. Die Hoffnung, allein durch gezielte Zerstörung von Krebsstammzellen einen Tumor endgültig zu beseitigen, könnte allerdings unerfüllt bleiben.