Grönland: Unter der Mitternachtssonne steigt die Rate der Selbsttötungen
"Licht ist zwar nur einer von vielen Faktoren in der komplexen Tragödie der Selbsttötung", sagt Karin Björkstén vom Karolinska-Institut in Stockholm. "Aber unsere Studie zeigt, dass es zwischen beiden einen Zusammenhang gibt." Grönland erstreckt sich zwischen dem 60. und 80. Breitengrad. Während von Ende April bis Ende August im nördlichen Landesteil die Sonne gar nicht mehr untergeht, herrscht dort im Winter lang andauernde Dunkelheit. Das macht die Menschen anfällig für Störungen von Stoffwechselprozessen, die einem Tagesrhythmus unterliegen und von einer inneren Uhr reguliert werden. Normalerweise sorgt der natürliche Tag-Nacht-Wechsel für eine Synchronisation mit der Umwelt. Die Forscher vermuten, dass die lichtgesteuerte Produktion der Botenstoffe Serotonin und Melatonin aus dem Takt gerät, wenn es nachts wochenlang nicht mehr dunkel wird. Schlafstörungen und verstärkte Erregbarkeit könnten die Folgen sein.
Die Wissenschaftler werteten Suizidstatistiken für die Zeit zwischen 1968 und 2002 aus. Die meisten der 1351 Fälle ereigneten sich im Juni. Betroffen waren vor allem junge Männer, die meist nicht unter Depressionen litten. Bei den ebenfalls untersuchten 308 Mordfällen ergab sich keine Abhängigkeit von der Jahreszeit. Die Selbsttötungsrate war in den Landesteilen nördlich des Polarkreises am höchsten. In Nordgrönland ereigneten sich 82 Prozent der Suizide in der Jahreszeit, in der es nie ganz dunkel wird. In 95 Prozent der Fälle machten die Menschen ihrem Leben gewaltsam ein Ende - indem sie sich erschossen, erhängten oder sich in den Tod stürzten. Depressionen spielten als Ursache von Selbsttötungen nur eine geringe Rolle.