Giftige Säbelzahnfischchen
„Säbelzahnschleimfische sind die spannendsten Fische, die ich je studiert habe, und haben eines der verblüffendsten Gifte überhaupt”, erzählt Seniorautor Bryan Fry von der University of Queensland. „Das Gift ist chemisch einzigartig. Der Fisch injiziert anderen Fischen Opioid-Peptide, die wie Heroin oder Morphium wirken und Schmerz eher unterdrücken als ihn zu verursachen.” Dies mache einen gebissenen Fisch langsamer und benommen. Das Gift bewirkt einen plötzlichen Abfall des Blutdrucks und verursacht vermutlich Symptome wie Übelkeit und Orientierungslosigkeit, so dass sich dem zierlichen Fisch die Gelegenheit zur Flucht bietet. Fry und seine Kollegen hatten das Gift des bis zu elf Zentimeter langen Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs (Meiacanthus grammistes) und auch weiterer Vertreter der Gattung Meiacanthus mühselig mit Hilfe von Wattebäuschen gesammelt, da die Fische immer nur sehr kleine Mengen abgeben.
Bei der Anasyle der wertvollen Ausbeute identifizierten sie drei verschiedene Eiweißstoffe, die das Gift ausmachen: erstens ein Neuropeptid, das aus dem Gift von Kegelschnecken bekannt ist, zweitens eine Lipase, die man von Skorpionen kennt, und drittens ein Opioid-Peptid. Sie testeten die Wirkung des Gifts außerdem an Mäusen und Ratten und waren überrascht, dass die Nager auf eine Injektion des Gifts keine Anzeichen von Schmerz zeigten. Indem sie unterschiedliche Vertreter der Säbelzahnschleimfische – sowohl giftige aus der Gattung Meiacanthus als auch ungiftige Arten – und deren verwandtschaftliche Beziehungen untereinander untersuchten, konnten die Biologen darüber hinaus zeigen: Zuerst haben sich im Laufe der Evolution die auffälligen Eckzähne im Unterkiefer ausgebildet, noch bevor sie mit Gift ausgestattet wurden. „Das ist ziemlich ungewöhnlich”, sagt Erstautor Nicholas Casewell von der Liverpool School of Tropical Medicine. „Denn häufig haben wir herausgefunden – beispielsweise bei Schlangen – dass sich erst irgendeine Art von Gift entwickelt, bevor der komplizierte Mechanismus für die Verabreichung entsteht.”
Wie so oft im Tierreich ist übrigens auch bei den Säbelzahnschleimfischen das Aufkommen von Mimikry eine Begleiterscheinung der Giftigkeit. Gleich mehrere nahe Verwandte des Dreistreifen-Säbelzahnschleimfischs machen sich dessen giftige Wehrhaftigkeit zunutze, indem sie das auffällige Aussehen imitieren und sich so Räuber vom Leib halten.