Gefährliches Fledermausgeflüster
"Wir modellierten die Wahrnehmungsdistanzen für Fledermäuse und Motten und fanden heraus, dass die Mopsfledermaus durch Flüstern das Echo einer nichtsahnenden Motte hören kann, bevor diese Motte der sich nährenden Fledermaus gewahr wird", erklärt Holger Goerlitz von der University of Bristol. "Dieser Vorteil kommt allerdings auf Kosten der reduzierten Wahrnehmungsreichweite, etwa vergleichbar damit, wenn wir uns im Dunklen mit einem Feuerzeug statt eines Scheinwerfers orientieren müssen." Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) ist ein sehr erfolgreicher Jäger, der vor allem Motten verspeist. Doch bisher war nicht klar, ob sie schlicht taube Insektenarten bevorzugt oder in der Lage ist, hörende Beute auszutricksen.
Goerlitz und seine Kollegen konnten mithilfe einer genetischen Methode feststellen, dass die Mopsfledermaus fast ausschließlich Mottenarten frisst, die sehr wohl hören können. In weiteren Versuchen maßen sie anhand der Aktivität der Nervenzellen in den Ohren der Motten, auf welche Distanzen die Insekten verschiedene Fledermausarten bemerken. An verschiedenen Orten rund um Bristol, darunter auf einem Friedhof in Clifton, zeichneten sie diese Nervenzellaktivitäten auf, während sie gleichzeitig die Position fliegender Fledermäuse verfolgten. "In freiem Feld Aufzeichnungen vom Ohr einer Motte durchzuführen, war eine echte Herausforderung, brachte aber erstaunliche Ergebnisse", erzählt Goerlitz' Kollegin Hannah ter Hofstede. "Während Motten andere Fledermäuse auf mehr als 30 Meter Entfernung wahrnehmen, kommt die Mopsfledermaus auf bis zu 3,5 Meter heran, ohne bemerkt zu werden." Als die Biologen dann noch die Rufe der Flüsterjäger analysierten, fanden sie heraus, dass diese bis zu 100mal leiser sind als die anderer Arten.
Die Strategie der Mopsfledermaus ist erfolgreich, weil es ihr ermöglicht, Beute zu fangen, die normalerweise wegfliegen würde. So umgeht sie den Konkurrenzkampf mit anderen Fledermausarten um dieselbe Beute und widmet sich Mottenarten, die für andere weitaus schwieriger zu erwischen sind. Ein solcher Erfolg sei recht ungewöhnlich, sagt Goerlitz: "Das ist ein seltener Fall in der Evolution, dass ein Räuber das Wettrüsten mit seiner Beute gewinnt, denn der Räuber verliert lediglich seine Mahlzeit, während die Beute ihr Leben verliert".