Galaktisches Teleskop in Rekordentfernung

Eine sehr weit entfernte Galaxie verstärkt durch den Gravitationslinseneffekt das Licht einer anderen in noch größerer Distanz
Dieses Bild zeigt die am weitesten entfernte bekannte Gravitationslinse. Die den Effekt bewirkende Galaxie befindet sich in der Mitte. Um sie herum sind mehrere deutlich verstärkte Bilder der dahinter liegenden Galaxie zu sehen.
Dieses Bild zeigt die am weitesten entfernte bekannte Gravitationslinse. Die den Effekt bewirkende Galaxie befindet sich in der Mitte. Um sie herum sind mehrere deutlich verstärkte Bilder der dahinter liegenden Galaxie zu sehen.
© NASA/ESA/A. van der Wel
Heidelberg - Die gigantische Schwerkraft von Galaxien kann Licht ablenken. Liegt zwischen unserer Milchstraße und einer weit entfernten Galaxie eine weitere, so kann dies zum sogenannten Gravitationslinseneffekt führen. Dabei wird das Licht des hinteren Objektes bedeutend verstärkt oder es kommt zu interessanten Verzerrungen. Ein internationales Astronomenteam hat nun die am weitesten entfernte Gravitationslinsen-Galaxie entdeckt. Wie die Forscher im Fachblatt „Astronomy & Astrophysics“ berichten, war das Licht von der Linse bis zur Erde knapp 9,5 Milliarden Jahre unterwegs. Die dahinter liegende Galaxie, deren Licht gebündelt wurde, ist noch einmal über 2 Milliarden Lichtjahre weiter entfernt. Außerdem liegen die beiden Sterngebilde fast exakt hintereinander, so dass der Effekt besonders stark war. Dies ist eine sehr unwahrscheinliche Konstellation.

„Es war eine reine Zufallsentdeckung“, sagt Erstautor Arjen van der Wel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Eigentlich suchten die Forscher nach alten Galaxien, als sie auf einer Aufnahme ein seltsam aussehendes Sterngebilde ausmachten. Es sah aus wie eine sehr junge Galaxie, befand sich aber sehr viel weiter entfernt als gedacht. Nach präziseren Bildanalysen fanden die Forscher dann einen beinahe perfekten Einstein-Ring. So heißen Bilder von Gravitationslinsen, bei denen sich die beiden Galaxien fast direkt hintereinander befinden. Dadurch ist die hintere Galaxie ringförmig um die vordere zu sehen.

Gravitationslinsen sorgen aber nicht nur für besondere Bilder, sondern ermöglichen auch physikalische Messungen. So können Astronomen aus der Ablenkung des Lichts auf die Masse der ablenkenden Galaxie schließen. Insbesondere die Menge an Dunkler Materie lässt sich so bestimmen. Denn diese rätselhafte Materieform tritt mit der uns bekannten Materie nur über die Schwerkraft in Wechselwirkung.

Die Masse der vorderen Galaxie bestimmten die Astronomen zu über 70 Milliarden Sonnenmassen, bei einem Anteil Dunkler Materie von nicht über 60 Prozent. Die hintere Galaxie ist mit rund 100 Millionen Sonnenmassen deutlich leichter. Sie ist aber mit einem Alter von wenigen Dutzend Millionen Jahren noch sehr jung, weshalb in ihr enorm viele Sterne entstehen. Da eine solche Konstellation von Galaxien extrem selten sein sollte und dies schon der zweite bekannte Fall eines solchen Gravitationslinseneffekts ist, stehen die Forscher vor einem Rätsel: Entweder haben sie bei ihrem Fund unwahrscheinliches Glück gehabt – oder ihre Modelle zur Galaxienentwicklung bedürfen einer weiteren Verfeinerung.

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