Galaktisches Teleskop in Rekordentfernung

„Es war eine reine Zufallsentdeckung“, sagt Erstautor Arjen van der Wel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Eigentlich suchten die Forscher nach alten Galaxien, als sie auf einer Aufnahme ein seltsam aussehendes Sterngebilde ausmachten. Es sah aus wie eine sehr junge Galaxie, befand sich aber sehr viel weiter entfernt als gedacht. Nach präziseren Bildanalysen fanden die Forscher dann einen beinahe perfekten Einstein-Ring. So heißen Bilder von Gravitationslinsen, bei denen sich die beiden Galaxien fast direkt hintereinander befinden. Dadurch ist die hintere Galaxie ringförmig um die vordere zu sehen.
Gravitationslinsen sorgen aber nicht nur für besondere Bilder, sondern ermöglichen auch physikalische Messungen. So können Astronomen aus der Ablenkung des Lichts auf die Masse der ablenkenden Galaxie schließen. Insbesondere die Menge an Dunkler Materie lässt sich so bestimmen. Denn diese rätselhafte Materieform tritt mit der uns bekannten Materie nur über die Schwerkraft in Wechselwirkung.
Die Masse der vorderen Galaxie bestimmten die Astronomen zu über 70 Milliarden Sonnenmassen, bei einem Anteil Dunkler Materie von nicht über 60 Prozent. Die hintere Galaxie ist mit rund 100 Millionen Sonnenmassen deutlich leichter. Sie ist aber mit einem Alter von wenigen Dutzend Millionen Jahren noch sehr jung, weshalb in ihr enorm viele Sterne entstehen. Da eine solche Konstellation von Galaxien extrem selten sein sollte und dies schon der zweite bekannte Fall eines solchen Gravitationslinseneffekts ist, stehen die Forscher vor einem Rätsel: Entweder haben sie bei ihrem Fund unwahrscheinliches Glück gehabt – oder ihre Modelle zur Galaxienentwicklung bedürfen einer weiteren Verfeinerung.