Forscher warnen: Neuartige Antibiotika könnten Immunabwehr schwächen

Einsatz chemisch hergestellter antimikrobieller Peptide begünstigt Infektionsrisiko durch resistente Bakterien
Neutrophile Granulozyten sind weiße Blutkörperchen, die als Teil der angeborenen Immunabwehr Mikroben zerstören – auch indem sie Defensine freisetzen.
Neutrophile Granulozyten sind weiße Blutkörperchen, die als Teil der angeborenen Immunabwehr Mikroben zerstören – auch indem sie Defensine freisetzen.
© Wikipedia User CS99
Liverpool (Großbritannien) - Im Rahmen der angeborenen Immunabwehr setzen Immunzellen kleine Eiweißmoleküle frei, die Mikroben abtöten. Solche sogenannten antimikrobiellen Peptide könnten auch chemisch hergestellt und als neuartige Antibiotika gegen Infektionen eingesetzt werden. Doch vor den möglichen Folgen dieser Strategie warnen jetzt britische Biologen. Sie konnten zeigen, dass Staphylokokken gegen einen derartigen Wirkstoff schnell resistent werden können. Einige Stämme der mutierten Mikroben waren dann auch resistent gegen ein vom menschlichen Immunsystem produziertes Peptid. Der therapeutische Einsatz solcher Hemmstoffe wäre daher mit großen Risiken verbunden, schreiben die Forscher im Fachblatt „Biology Letters”.

„Aus unseren Resultaten ergeben sich schwerwiegende Bedenken wegen des langfristigen Risikos, das mit der Entwicklung und dem Einsatz von antimikrobiellen Peptiden verbunden ist“, erklären Michelle Habets und Michael Brockhurst von der University of Liverpool. Die Forscher simulierten die Entwicklung resistenter Bakterien im Labor. Dazu versetzten sie Flüssigkulturen von Staphylococcus aureus allmählich mit steigenden Mengen an Pexiganan, einem chemisch hergestellten antimikrobiellen Peptid. Schon nach kurzer Zeit vermehrten sich mutierte Bakterien, die gegen hohe Peptidkonzentrationen resistent waren.

Aber damit nicht genug: Einige dieser so erhaltenen Stämme wurden nun auch nicht mehr durch das von menschlichen Immunzellen gebildete Peptid Defensin-1 abgetötet. Diese Kreuzreaktion war umso erstaunlicher, als sich Pexiganan und das Defensin in ihren chemischen Strukturen und Wirkmechanismen unterscheiden. Würde ein Mittel wie Pexiganan in Krankenhäusern eingesetzt, könnten mit der Zeit resistente Bakterien entstehen, die auch von natürlichen antimikrobiellen Peptiden des angeborenen Immunsystems nicht mehr abgetötet werden. Kurzfristig wären die neuartigen Therapien mit synthetischen Peptiden vielleicht wirksam, so die Forscher. Langfristig aber könne diese Praxis katastrophale Konsequenzen haben, indem sie unsere normale Fähigkeit zur Abwehr von Infektionen schwächt.

Pexiganan wurde nach dem Vorbild zweier Peptide hergestellt, die in der Haut von Fröschen vorkommen und gegen zahlreiche Arten von Bakterien wirksam sind. Das Mittel wird zurzeit zur Behandlung von Beingeschwüren bei Diabetikern erprobt. Viele Forscher unterschätzten die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung von Mikroben, die resistent gegen antimikrobielle Peptide sind. Und sollte es doch dazu kommen, so die Vermutung, wären die Mikroben in ihrer Vermehrung stark beeinträchtigt und würden langfristig keine Gefahr darstellen. Das ist falsch, wie die britischen Forscher beobachteten: In ihren Versuchen war das Wachstum der resistenten Staphylokokken nur vorübergehend geringer und normalisierte sich schnell wieder.

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Quelle: „Therapeutic antimicrobial peptides may compromise natural immunity“, Michelle G. J. L. Habets and Michael A. Brockhurst, Biology Letters, doi: 10.1098/rsbl.2011.1203


 

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