Feldstudie belegt: Misteln spielen wichtige Rolle im Ökosystem Wald

Viele Vogelarten sind auf die Halbschmarotzer angewiesen
Auch die bei uns heimische Weißbeerige Mistel (Viscum album) ist ein Halbschmarotzer.
Auch die bei uns heimische Weißbeerige Mistel (Viscum album) ist ein Halbschmarotzer.
© gemeinfrei, C. A. M. Lindman (1856–1928), Bilder ur Nordens Flora
Albury (Australien) - Wo Miraculix noch klettern musste, um mit seiner goldenen Sichel Mistelzweige von den Bäumen zu ernten, griffen australische Biologen zur bequemeren Teleskoparbeitsbühne. Sie wollten allerdings keinen Zaubertrank brauen, sondern herausfinden, welche Rolle die Mistel in ihrem Lebensraum einnimmt und ob sie vielleicht sogar eine Schlüssel-Ressource für viele Arten ist, ohne die diese nicht leben können. Dazu entfernten die Forscher in manchen australischen Waldgebieten die parasitischen Pflanzen von den Bäumen. Das ungewöhnliche Experiment zeigte: Trotz ihrer schmarotzenden Lebensweise sind Misteln tatsächlich ein äußerst wertvoller Bestandteil des Ökosystems. Ohne den Pflanzenparasit schwand die Zahl der Vogelarten deutlich, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences”. Besonders betroffen waren diejenigen Art, die direkt in den Mistelgewächsen nisten.

„Der vermutete Status dieser Halbschmarotzer als Schlüssel-Ressource wurde stark gestützt“, schreiben David M. Watson und Matthew Herring vom Institute for Land, Water and Society an der Charles Sturt University in Albury. „Mistelpflanzen aus ganzen Waldgebieten zu entfernen, führte zu einem durchschnittlichen Verlust von mehr als einem Viertel aller auf Waldland angewiesenen Vogelarten.“ Die Arten, die in Mistelgewächsen nisten, waren wie erwartet noch stärker betroffen – ihre Zahl sank um 34,8 Prozent. In von der Mistel-Entfernung unberührt gebliebenen Kontroll-Bereichen dagegen kam es während desselben Zeitraumes sogar zu einem leichten Anstieg der Artenzahl. Im Schnitt war durch das Entfernen der Parasitenpflanzen ein Verlust von 20,9 Prozent des Artenreichtums zu verzeichnen. Gebiete, die von Natur aus mistelfrei waren, zeigten keine merklichen Veränderungen.

Ihr umfangreiches Projekt in insgesamt 40 Waldgebieten starteten die Biologen in australischen Wäldern. Mithilfe von Teleskoparbeitsbühnen konnten sie bis in 18 Meter Höhe gelangen, um in insgesamt 17 Bereichen die Riemenblumengewächse (Loranthaceae), eine Familie mistelartiger Pflanzen, weitgehend zu entfernen. Elf Gebiete blieben unberührt und dienten somit als Kontrolle, während zum Vergleich zwölf weitere Bereiche herangezogen wurden, in denen natürlicherweise keine Misteln vorkamen. Sowohl vor als auch drei Jahre nach dem Entfernen der Misteln schätzten die Biologen die Zahl der Vogelarten in den jeweiligen Waldstücken. Dazu liefen sie etwa durch den Wald und identifizierten und verzeichneten, welche Arten sie sahen oder hörten. Dabei waren Verschiebungen der Arten zu beobachten – manche Spezies verschwanden, andere siedelten sich an. Ohne die Misteln wanderten aber deutlich mehr Vogelarten ab als zu.

Misteln sind Halbschmarotzer, die ihrem Wirt Wasser und Mineralstoffe entziehen. Dennoch sind sie selbst in der Lage, Photosynthese zu betreiben, und so nicht vollständig auf ihren Wirt angewiesen.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Mistletoe as a keystone resource: an experimental test”, David M. Watson, Matthew Herring; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, DOI:10.1098/rspb.2012.0856


 

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