Eis unter Hochdruck

Grundlagenexperiment erweitert das Phasendiagramm von Wasser und erklärt Aufbau von Eisriesen wie Neptun oder Uranus
In dieser Diamantstempelzelle kristallisiert Wasser unter hohen Drücken und Temperaturen. Die Kristalle können mit Röntgenlicht genauer analysiert werden.
In dieser Diamantstempelzelle kristallisiert Wasser unter hohen Drücken und Temperaturen. Die Kristalle können mit Röntgenlicht genauer analysiert werden.
© Vitali Prakapenka et al.
Chicago (USA) - Wasser ist eine ungewöhnliche Verbindung. So gibt es allein 17 verschiedene Eisvarianten, zu denen die Flüssigkeit bei tiefen Temperaturen erstarren kann. Doch bei hohen Temperaturen unter sehr hohem Druck treten spezielle Strukturen im Eis – superionische Eisphasen genannt – auf. Nun gelang es einer Forschergruppe, die Struktur dieser Eisphasen zu analysieren. In der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten sie, dass diese Eisformen auch im Innern wasserreicher Planeten wie Neptun oder Uranus vorkommen könnten.

Unter gewöhnlichen Bedingungen gefriert Wasser bei 0 Grad Celsius und liegt bei Minusgraden als Eis vor. Doch auch bei deutlich höheren Temperaturen können feste Eiskristalle existieren. Allerdings müssen dabei enorm hohe Drücke wirken. So ließ sich durch frühere Experimente bereits festes Eis bei über 400 Grad Celsius und einem Druck von 50 Gigapascal – das entspricht etwa dem 500 000-Fachen des Atmosphärendrucks – nachweisen. Die genaue Struktur der Eiskristalle war bislang jedoch noch unklar. Deshalb drangen nun Vitali Prakapenka von der University of Chicago und seine Kollegen mit einem neuen Experiment in diese Bereiche extremer Drücke und Temperaturen vor.

Dazu nutzten die Physiker eine Diamantstempelzelle – eine winzige Kammer, in der sich Materialien extrem stark zusammenpressen lassen. In dieser komprimierten sie winzige Wasserproben mit bis zu 150 Gigapascal. Parallel heizten sie das Wasser mit Lasern Schritt für Schritt auf mehr als 6000 Grad Celsius auf. Auf diese Weise entstanden stabile Eiskristalle, deren Struktur die Forscher mithilfe extrem intensiver und fokussierter Röntgenstrahlen der Advanced Photon Source in der Nähe von Chicago analysierten. Aus der Information, wie die Eiskristalle diese Röntgenstrahlung streute, schlossen Prakapenka und seine Kollegen anschließend auf die innere Struktur dieser Eiskristalle.

Bei zwei Kombinationen aus Temperatur und Druck identifizierten sie im Eis sogenannte superionische Eisphasen. In dieser Phase sind die Wassermoleküle in ihre Bestandteile zerfallen und liegen als geladene Ionen vor. Während die Sauerstoffionen negativ geladen sind, sind die Wasserstoffionen positiv geladen. Eine der Kristallstrukturen, bei der Eis diese Eigenschaften hat, trat bei einem Druck von 49 Gigapascal und einer Temperatur von etwa 1700 Grad Celsius auf. Die einzelnen Eiskristalle sind in winzigen Würfeln angeordnet, bei denen sich an den Ecken und im Zentrum der Würfel jeweils Sauerstoffatome befinden. Bei 150 Gigapascal und knapp 5000 Grad Celsius stabilisierte sich noch eine weitere Kristallform. Diese unterscheidet sich von der vorigen Form, indem die Sauerstoffatome jeweils an den Ecken und mittig auf den Außenflächen eines Würfels im Eiskristall vorliegen. Dazwischen sind die Protonen, also die positiv geladenen Wasserstoffionen, sehr beweglich, weshalb auch die elektrische Leitfähigkeit deutlich ansteigt. Außerdem weist superionisches Eis veränderte optische Eigenschaften auf, es ist etwa lichtdurchlässiger als andere Eisphasen.

Mit Studien dieser Art wird das Phasendiagramm von Wasser, das die verschiedenen Varianten von Wasser, Wasserdampf und Eis je nach Druck und Temperatur beschreibt, schrittweise in extreme Bereiche erweitert. Das ist nicht nur von grundlegendem Interesse. „Die Existenz von superionischen Eisvarianten in der Natur hat wichtige Konsequenzen für das Innere von Planeten“, schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Das ist vor allem relevant für Eisriesen wie Uranus oder Neptun: Verstehen wir nämlich die elektrisch leitfähigen Eisphasen, die auf diesen Planeten wahrscheinlich vorkommen, ließe sich auch beispielsweise die Bildung der dortigen Magnetfelder besser erklären.

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