Doppelt so viele Bürgerkriege in El Niño-Jahren
"Diese Untersuchung zeigt ein systematisches Muster für Konflikte, die vom globalen Klima beeinflusst wurden", sagt Solomon M. Hsiang vom Earth Institute der Columbia University in New York. Zusammen mit seinen Kollegen fand er aus seinen Statistiken heraus, dass El Niño-Ereignisse in gut einem Fünftel aller Gewalt-Konflikte weltweit seit 1950 eine wesentliche Rolle spielten. So spitzte sich im El Niño-Jahr 1982 in Peru die Situation durch die Gewalt der Bewegung "Leuchtender Pfad" zu. Im vom langen Bürgerkrieg gebeutelten Sudan fanden die Forscher in den El Niño-Jahren 1963, 1976 und 1983 einen deutlichen Anstieg der Kämpfe, die insgesamt etwa zwei Millionen Opfer forderten. Auch der Völkermord in Ruanda erreichte im El Niño-Jahr 1997 einen traurigen Höhepunkt.
Dürren und Überschwemmungen
Doch weshalb hat ein Klima-Phänomen derart weitreichende Folgen? Bei einem El Niño verändern sich zuerst die Strömungsverhältnisse im Pazifik. Der kalte Humboldtstrom vor der Küste Perus kommt zum Erliegen und das Oberflächenwasser des Ozeans erwärmt sich deutlich. Starke Regenfälle und Überflutungen in Teilen Südamerikas sind die Folge. Die Regenwaldregionen auf der Rückseite der Anden dagegen leiden unter Trockenheit. Aber ein El Niño wirkt noch viel weitreichender auf das Klima und kann zu Dürren in Afrika, Australien und Indonesien sowie zu mehr Wirbelstürmen in Mexiko führen. Das El Niño entgegengesetzte Klima-Phänomen La Niña ("kleines Mädchen") zeichnet sich durch eine außergewöhnlich kalte Pazifikströmung rund um den Äquator aus und kann umgekehrt zu Trockenheit in Peru und erhöhten Niederschlag in Indonesien führen.
Für ihre Statistik beschränkten sich Hsiang und Kollegen auf Konflikte, in denen mindestens 25 Menschen getötet wurden. Weltweit zählten sie so 234 Auseinandersetzungen. Die Hälfte davon forderte sogar je mehr als 1000 Opfer. In El Niño-Jahren steigt demnach das Risiko für einen Bürgerkrieg an, im Vergleich zu La Niña-Jahren von drei auf sechs Prozent in Staaten, die unter den Klimafolgen leiden. Doch trotz der signifikanten Parallelen zwischen Gewaltausbruch und Klima, wissen die Forscher, dass El Niño allein nicht als Ursache anzusehen ist. "Niemand sollte nun sagen, dass das Klima unser Schicksal bestimmt", sagt Mark Cane, Koautor der Studie. Neben El Niño müssten andere Faktoren wie politische und wirtschaftliche Verhältnisse berücksichtigt werden. "Aber wenn eine soziale Ungleichheit mit armen Menschen und vielen Benachteiligungen vorliegt, kann das Klima den Auslöser liefern", sagt Hsiang.
Zweifel an einem Vorwarnsystem für Bürgerkriege
Erst vor wenigen Monaten zeigte eine Studie deutliche Zusammenhänge zwischen historischen Kriegen und Revolutionen mit den jeweils herrschenden Klimabedingungen. Die aktuelle Arbeit konzertriert sich als erste aber auf die jüngste Geschichte. Da die Klimafolgen eines El Niño bis zu zwei Jahre im Voraus absehbar sind, hoffen die Forscher nun auf ein weiteres wichtiges Indiz, um auch die Gefahr für Bürgerkriege voraussehen zu können. Doch da El Niño nur einen Aspekt liefert, steht Konfliktforscher Halvard Buhaug vom Friedensforschungsinstitut in Oslo einer solchen Vorwarnmethode skeptisch gegenüber. "Die Studie versagt dabei, unser Verständnis von bewaffneten Konflikten zu verbessern", sagt Buhaug. Eine Korrelation ohne Erklärung könne nur zu Spekulationen führen. Daher sind offenbar noch viele weitere Forschungen nötig, um konkrete Zusammenhänge zwischen Klimaereignissen und Konflikten aufzudecken.