Depression und Schmerz: Ein Mittel gegen beides

Enzym im Gehirn könnte Ansatzpunkt für neue Therapien sein
Schmerz spiegelt sich in der Mimik des Menschen.
Schmerz spiegelt sich in der Mimik des Menschen.
© Abbildung aus: „The Expression of the Emotions in Man and Animals“ von Charles Darwin (1872)
Boston (USA) - Patienten mit chronischen Schmerzen leiden häufig auch unter Depressionen. Umgekehrt erhöhen depressive Störungen das Risiko für chronische Schmerzen. Jetzt haben amerikanische Mediziner einen biochemischen Mechanismus gefunden, der diesen Zusammenhang erklärt. Demnach sind beide Erkrankungen mit der verstärkten Aktivität eines Enzyms in der Hirnregion des Hippocampus verbunden. Die Hemmung der Enzymproduktion oder seiner Aktivität milderte bei Ratten sowohl Schmerz- als auch Depressionssymptome, berichten die Forscher im „Journal of Clinical Investigation“. Ein Medikament mit dieser Wirkung könnte den betroffenen Menschen vielleicht besser helfen als die übliche Kombination aus Schmerzmittel und Antidepressivum.

„Unsere Ergebnisse zeigen einen Regulationsmechanismus, der für das gemeinsame Auftreten von Schmerz und Depression verantwortlich ist und auf eine neue Strategie für die gleichzeitige Behandlung beider Leiden hinweist“, schreiben Jianren Mao und Kollegen vom Massachusetts General Hospital in Boston. Für ihre Experimente erzeugten die Forscher bei Ratten Schmerzen, die mindestens drei Wochen anhielten, indem sie eine Entzündung in einem Fußgelenk der Tiere auslösten. Die Beschwerden führten nach einigen Tagen zu depressivem Verhalten. Parallel dazu verstärkte sich die Aktivität des Enzyms IDO1 im Gehirn. Dieses Enzym, eine sogenannte Indolamin-Dioxygenase, steuert die Umsetzung der Aminosäure Tryptophan, die unter anderem als Vorläufer des Botenstoffs Serotonin dient. Das Ausschalten des IDO1-Gens im Gehirn der Versuchstiere oder die Hemmung des Enzyms durch ein Medikament verringerte gleichzeitig die Schmerz- und die Depressionssymptome. Dieser Befund ist wahrscheinlich auch für Menschen relevant: Bei depressiven Patienten mit chronischen Schmerzen fanden die Forscher im Blut erhöhte Werte des Enzyms.

Es gibt Hinweise darauf, dass die IDO1-Produktion als Reaktion auf Entzündungen ansteigt. Diese Reaktion könnte durch Interleukin-6 vermittelt werden, einen Botenstoff, dessen Blutspiegel bei Schmerzpatienten und Depressiven erhöht ist. Tatsächlich konnten die Forscher durch Injektion des Wirkstoffs in den Hippocampus von Ratten die IDO1-Aktivität in dieser Hirnregion verstärken und damit eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit sowie depressives Verhalten auslösen. An der Kopplung zwischen Schmerzempfinden und Depression seien aber wahrscheinlich weitere Botenstoffe beteiligt, so die Autoren. Da Hemmstoffe des Enzyms bereits vorhanden sind und schon in anderen klinischen Studien eingesetzt wurden, sollten diese Mittel nun daraufhin getestet werden, ob sie vorbeugend oder therapeutisch gegen beide Leiden wirksam sind.

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Quelle: „Brain Indoleamine 2, 3-Dioxygenase Contributes to Comorbidity of Pain and Depression“, Hyangin Kim et al.; Journal of Clinical Investigation, DOI: 10.1172/JCI61884


 

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