Computermaus prägt Lernvorgänge im Gehirn
„Computer haben dieses Problem, dass Bildschirme verschiedener Größe einen anderen Strecken-Zuwachs liefern als Computermäuse“, erklärt Konrad Kording von der Northwestern University, Den ständigen Abgleich, eine sogenannte visuomotorische Transformation, erleichtert sich das Gehirn und speichert die Bewegungszusammenhänge in den Neuronen. Allerdings gelten sie nicht mehr, wenn danach größere oder kleinere Bildschirme zu bedienen sind, so Kording – es sei denn, das Hirn hat den grundlegenden Zusammenhang gespeichert: „Wenn man das gut verallgemeinern kann, muss man die Maus später nur einmal bewegen und ist wieder ‚kalibriert’.“ Gemeinsam mit Psychologen der Peking University untersuchte das Northwestern-Team diese Verallgemeinerung des Gehirns zunächst an 18 chinesischen Wanderarbeitern. Neun von ihnen, im Schnitt 42 Jahre alt, nutzten Computer bereits regelmäßig – neun weitere, durchschnittlich 38 Jahre alt, waren Computerneulinge. Eine dritte Gruppe von neun rund 22-jährigen Studenten diente als Kontrollgruppe. Alle unterzogen sich einem visuomotorischen Standardtest: Sie mussten einen Mauszeiger bewegen, während ihre Hand verdeckt lag. Dabei lernten sie für eine vorgegebene Richtung schnell, wie sehr sich die Strecke am Bildschirm und die Mausstrecke unterschieden. Ihre Fähigkeit zur Verallgemeinerung zeigte sich dann daran, wie schnell sie diese Unterschiede auch in anderen Richtungen umsetzen konnten.
Tatsächlich war es nicht die Lerngeschwindigkeit, worin sich die Computernutzer von den Neulingen unterschieden – es war die Fähigkeit zur Verallgemeinerung. Die erfahrenen Mausbediener konnten das Gelernte messbar schneller in alle Himmelsrichtungen umsetzen, sie wussten also bereits, was sie erwartete. Das galt ebenso für die Studentengruppe, woraus die Forscher schließen, dass jüngere Gehirne hier nicht schneller agieren als die etwas älteren. Diejenigen Probanden allerdings, die nie zuvor einen Computer genutzt hatten, lernten den Distanz-Unterschied zwar beinah ebenso schnell wie die anderen. Sie brauchten aber etwas länger, um das Gelernte von einer Bewegungsrichtung auf andere zu übertragen.
Jetzt gingen Kording und Kollegen noch weiter ins Detail: Sie trainierten zehn weitere Computerneulinge zwei Wochen lang am Rechner. Die Probanden sollten mindestens zwei Stunden am Tag Spiele spielen, welche intensiven Maus-Einsatz forderten: beispielsweise den Klassiker „Pong“. Vor und nach den Trainingswochen kontrollierten die Forscher per Standardtest die Verallgemeinerungsfähigkeit. Und tatsächlich – schon zwei Wochen Übung genügten, um die Lerngeschwindigkeit für neue Bewegungsrichtungen auf das Niveau geübter Computernutzer zu heben.
"Verallgemeinerung muss gelernt werden", sagt Hauptautor Kunlin Wei von der Peking University zusammenfassend, „wir sollten nicht erwarten, dass sie automatisch passiert.“ Dies ist ein wichtiger Punkt für praktische Anwendungen der Ergebnisse – etwa für das Verallgemeinern gelernter Bewegungen in der Medizin. Das Team denkt zum Beispiel an Bewegungen, die ein Patient im standardisierten Umfeld einer Reha-Klinik lernt, so Kording: „Wenn wir Patienten dazu bringen könnten, vom roboterhaften Training in der Klinik zum Teetrinken zuhause zu verallgemeinern, dann würde das Krankenhaustraining den Alltag maximal verbessern“.