Blutzellen beeinflussen den Appetit

Zellen aus dem Blut können in eine bestimmte Hirnregion einwandern und dort einen Botenstoff freisetzen, der die Nahrungsaufnahme verringert
Otsu (Japan)/Houston (USA) - Der Körper reguliert Nahrungsaufnahme und Gewicht über Botenstoffe, die im Gehirn Gefühle von Hunger oder Sättigung auslösen. Dass dabei auch Blutzellen eine Rolle spielen, haben jetzt japanische und amerikanische Forscher bei Mäusen nachgewiesen. Im Knochenmark gebildete Zellen können demnach über das Blut in die Hirnregion des Hypothalamus gelangen. Dort wandeln sie sich in Hirnzellen um, die den Botenstoff BDNF freisetzen. Dieser drosselt den Appetit. Mäuse, die keine BDNF-produzierenden Blutzellen bilden können, werden fettleibig. Möglicherweise ist eine gestörte Freisetzung des Botenstoffs auf diesem Weg eine Ursache von Essstörungen beim Menschen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Communications“.

„Wir wussten, dass während der Entwicklung des Embryos einige Blutzellen in das Gehirn gelangen und zu Mikrogliazellen werden. Jetzt konnten wir erstmals zeigen, dass dies auch im erwachsenen Stadium geschieht“, sagt Lawrence Chan vom Baylor College of Medicine in Houston. Zusammen mit Hideto Kojima und Kollegen der Shiga University Otsu fand Chan damit eine Erklärung dafür, warum Blutzellen das appetithemmende Neurotrophin BDNF produzieren. Eine Variante dieses Botenstoffs setzen auch Mikrogliazellen im Hypothalamus frei. Diese Hirnzellen stehen über stark verzweigte Fortsätze mit zahlreichen Nervenzellen in direktem Kontakt und sind an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt.

Die Forscher transplantierten Knochenmarkszellen, die mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert waren, in Mäuse, deren Knochenmark durch Bestrahlung zerstört worden war. Acht Wochen später ließen sich fluoreszierende Zellen in einem Teil des Hypothalamus nachweisen, wo sie Eigenschaften von Mikrogliazellen angenommen hatten und BDNF produzierten. Genetisch veränderte Mäuse, denen BDNF-bildende Blutzellen fehlten, wurden fettleibig und zuckerkrank. Eine Transplantation von gesundem Knochenmark normalisierte das Fressverhalten dieser Tiere wieder. Welche Signale die Zellen bei ihrer Wanderung aus dem Blut in das Gehirn leiten, ist noch nicht bekannt.

Die Forscher vermuten, dass der neu entdeckte Regulationsmechanismus lediglich die Feineinstellung der Appetitkontrolle beeinflusst, die hauptsächlich durch mehrere andere, von Hirnzellen produzierte Hormone gesteuert wird. Blutzellen seien allerdings sehr viel leichter zugänglich und daher für therapeutische Maßnahmen besser geeignet als Zellen des Gehirns, sagt Chan. Sie lassen sich problemlos entnehmen, verändern und wieder injizieren. Dann könnten sie ins Gehirn eindringen und dort eine Fehlsteuerung der Nahrungsaufnahme korrigieren. Das wäre eine mögliche Grundlage für neue Therapien gegen Fettleibigkeit, Appetitlosigkeit, Bulimie und Magersucht.

Neben den Neuronen, die Signale verarbeiten und weiterleiten, besteht das Hirngewebe aus Gliazellen, zu denen Astrozyten, Oligodendrozyten, Mikrogliazellen und andere Zelltypen gehören. Diese dienen nicht nur als Stütz- und Schutzelemente, sondern sind an zahlreichen Hirnfunktionen wesentlich beteiligt.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg